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Nicht-medikamentöse Verfahren gewinnen bei Migräne an Stellenwert. Das zeigt die aktualisierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Prof. Hans-Christoph Diener vom Westdeutschen Kopfschmerzzentrum der Universität Duisburg-Essen, kommentiert.
MMW: Was sind die wichtigsten Neuerungen in der aktualisierten Migräneleitlinie?
Diener: Das Wichtigste ist meiner Meinung nach die Integration von medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie in der Prophylaxe der Migräne. Man wird vor allem Patienten mit häufiger und starker Migräne allein mit Medikamenten nicht gerecht.
MMW: Die Akupunktur wird in der Leitlinie als Kann-Empfehlung zur Prophylaxe genannt. Ist zu erwarten, dass sie demnächst in der Akuttherapie empfohlen wird?
Diener: In der Prophylaxe wurde bei der Akupunktur ein extrem hoher Placeboeffekt beobachtet. Sie hat jedoch praktisch keine Nebenwirkungen. Wenn die Methode also jemandem hilft, dann soll er sie nutzen. Bei der Behandlung der akuten Migräneattacke ist die Akupunktur trotz der vergleichbaren Wirksamkeit mit einem Triptan allerdings nicht praktikabel. Denn ein Patient mit einer schweren Migräneattacke kann ja nicht erst irgendwohin fahren, um sich akupunktieren zu lassen.
MMW: Zur medikamentösen Migräneprophylaxe empfiehlt die Leitlinie Topiramat und Botulinumtoxin. Voraussichtlich im Herbst soll in der EU ein erster monoklonaler Antikörper zur Prophylaxe zugelassen werden. Wie schätzen Sie das Potenzial dieser Wirkstoffklasse ein?
Diener: In indirekten Vergleichen sind die monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor nicht wirksamer als die bestehenden Therapien. Diese Antikörper werden aber extrem gut vertragen und haben praktisch keine Nebenwirkungen. Das Hauptproblem bei den derzeitigen Migräneprophylaktika ist, dass 30–40% der Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen schon nach drei Monaten abbrechen, insbesondere wegen Gewichtszunahme und Müdigkeit oder kognitiven Störungen bei Topiramat. Ein weiterer Vorteil der Antikörper ist, dass sie subkutan oder intravenös verabreicht werden — damit ist die Compliance gewährleistet.
Eine Chance haben die monoklonalen Antikörper auf jeden Fall. Denn die Erfolgsquote von Botox bei der chronischen Migräne liegt zwischen 50 und 60%, das heißt, es bleiben immer noch 40% der Patienten übrig, die eine Alternative brauchen.
MMW: Welche Empfehlungen gelten für Kinder zur Migräneprophylaxe?
Diener: Für Kinder und Jugendliche empfehle ich immer zuerst eine nicht-medikamentöse Prophylaxe wie Ausdauersport und Entspannungsverfahren. Medikamentös würden wir mit einem Betablocker oder mit Amitriptylin beginnen.
MMW: Welche Rolle können internetbasierte Angebote bzw. Smartphone-Apps für Migränepatienten spielen?
Diener: Ich glaube, dass diese Angebote eine extrem wichtige Rolle spielen werden. Sie haben den enormen Vorteil, dass der Patient einen sehr guten Überblick über die Krankheit bekommt, also über Attackenhäufigkeit, Wirksamkeit der Maßnahmen und potenzielle Trigger, die man dann unter Umständen beeinflussen kann. Der Vorteil ist auch, dass daraus eine perfekte Dokumentation für den Arzt entsteht. Die Apps haben eine Schnittstelle zu einer Software der Ärzte in den Kopfschmerzzentren, sodass diese zusammen mit dem Patienten auf die Daten zugreifen können. Damit erhält der Patient in gewissem Umfang die Kontrolle über seine Migräne.
Interview: Dr. Christine Starostzik
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Springer Medizin. Mehr Vielfalt in der Migräneprophylaxe. MMW - Fortschritte der Medizin 160, 8 (2018). https://doi.org/10.1007/s15006-018-0845-x
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