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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, München

_ Obwohl sie seit Jahrzehnten umstritten sind, zählt die WHO Digitalisglykoside weiterhin zu den essenziellen Medikamenten für die Behandlung von Herzinsuffizienz und Arrhythmien. Basierend auf Daten aus der ARISTOTLE-Studie wurde nun die Beziehung von Digoxin-Einnahme und Mortalität bei Patienten mit Vorhofflimmern analysiert. Als Kontrollen dienten Patienten, die kein Digoxin einnahmen. Die Diagnose Herzinsuffizienz wurde klinisch oder bei reduzierter Auswurffraktion ≤ 40% gestellt.

Insgesamt wurden die Daten von 17.897 Patienten mit Vorhofflimmern ausgewertet. 32,5% von ihnen erhielten zu Studienbeginn Digoxin, was ihre Mortalität insgesamt nicht signifikant erhöhte. Allerdings hatten Patienten mit Serum-Digoxin-Spiegeln ≥ 1,2 ng/ml eine um 56% signifikant höhere Mortalität als Patienten ohne Digoxin. Jede Zunahme um 0,5 ng/ml steigerte die Sterblichkeit um 19% (p = 0,001).

Unter den Probanden, bei denen im Laufe der Studie Digoxin neu angesetzt wurde, war das Risiko für Tod und plötzlichen Herztod in etwa verdoppelt. Das Vorliegen einer Herzinsuffizienz beeinflusste die Mortalität nicht.

KOMMENTAR

Aktuelle Leitlinien empfehlen Digoxin zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern, v. a. bei gleichzeitiger Herzinsuffizienz. Allerdings gibt es keine kontrollierten, randomisierten Langzeitstudien, die den Nutzen dieser Therapie dokumentieren. Metaanalysen kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen.

Die vorliegenden Daten zeichnen kein positives Bild der Substanz. Das Dilemma ist offensichtlich: Digoxin ist ein seit über 200 Jahren häufig verordnetes, preisgünstiges Medikament, das weltweit bei 40% der Patienten mit Vorhofflimmern eingesetzt wird. Studien zeigen nur selten positive, teilweise sogar negative Wirkungen, auch bei speziellen Indikationen wie Vorhofflimmern mit Herzinsuffizienz. Der Rote Fingerhut gehört wohl in den Garten und in die Geschichtsbücher.