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Prof. Dr. med. Klaus Weckbecker

_ Der medizinische Grundsatz „primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“?* gilt auch noch nach 2000 Jahren. Gerade der Hausarzt ist hier gefordert. Unsere Patienten sind nicht vorselektiert. Die Prävalenz einzelner Erkrankungen ist oft niedrig und die Ausprägung häufig gering. In dieser Situation muss der Hausarzt abwägen, ob z. B. eine diagnostische Maßnahme wirklich indiziert ist und ob die sich daraus ergebenden Folgen den Patienten eher schädigen. Diese sog. Quartäre Prävention vermeidet nicht indizierte diagnostische Schritte und Therapien.

Unser Schwerpunktthema bricht alte Gewohnheiten auf. Beim nächsten Griff zum Ultraschallgerät werden Sie innehalten und die Indikation dieser Untersuchung kritisch hinterfragen. Johannes Porz und Manuela Klaschik erläutern in ihrem Beitrag, warum die an sich harmlose Vorsorge-Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse ihre Patienten gefährden kann. Primum non nocere!

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Abwägen, was wirklich indiziert ist und was evtl. sogar schadet.

© Tinpixels / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Das Lindern von Schmerzen zählt zu den vornehmsten Aufgaben eines jeden Arztes, die Schmerztherapie zu den Grundfertigkeiten der Medizin. Zum Wohle des Patienten ist eine möglichst effektive und wirkungsvolle Behandlung von Schmerzen Pflicht. Aber welche Therapieziele sind realistisch? Unrealistische Erwartungen bei Patienten und bei Ärzten können in die Abhängigkeit führen. Die Abhängigkeit von opiathaltigen Schmerzmitteln ist eine mögliche Komplikation der Schmerztherapie. Dieser Gefahr müssen wir uns bewusst sein und entsprechend sorgfältig therapieren. Johannes Just mahnt uns in seinem Artikel zur Vorsicht. Secundum cavere!

Raucher leiden immer noch unnötig oft. Der Hausarzt kann durch professionelle Beratung und ggf. medikamentöse Unterstützung — wie Manuela Klaschik in ihrem Beitrag erläutert — die Rate der erfolgreichen Rauchstopps erhöhen. Kaum eine Präventionsmaßnahme rettet so viele Lebensjahre. Trotzdem scheuen wir sowohl die Beratung als auch die medikamentöse Unterstützung, trotz der beeindruckenden Datenlage zu deren Effektivität. Das Nebenwirkungsprofil der eingesetzten Substanzen wird oft überschätzt. Im Vergleich dazu ist das Gesundheitsrisiko des Rauchens viel größer. Unser Verhalten als Ärzte ist hier irrational. Wir muten unseren Patienten in vielen Situationen deutlich höhere Nebenwirkungsraten bei geringeren Effekten zu. Der Raucher leidet nicht nur an seiner Nikotinabhängigkeit, sondern auch an der Stigmatisierung der Sucht. Wir Ärzte sprechen das Problem Nikotinabhängigkeit nicht professionell an und lassen die Raucher im Qualm alleine stehen. Tertium sanare!

*„Erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen!“ Dieses Zitat wird dem röm. Arzt Scribonius Largus zugeschrieben, der als Leibarzt im 1. Jh. n. Chr. am Hofe Tiberius Claudius tätig war. Wahrscheinlich bezieht er sich mit diesem hippokratischen Grundsatz auf noch frühere griechische Quellen.