_ Während die einen auf die Leitlinie verweisen, in der nur ein Ruhe-EKG bei Risikopatienten empfohlen wird, erinnern sich andere an Patienten, bei denen nur aus „Neugierde“ eine CT-Angiografie durchgeführt wurde, die dann überraschenderweise höhergradige Koronarstenosen zeigte. Diese eindrucksvollen Beispiele können die fehlende Evidenz bei diesem Thema aber nicht ersetzen, meinte Prof. Tomasso Gori, Mainz.

Risikoabschätzung mittels Score

Trotz gewisser Fortschritte ist die KHK weiterhin für ein Drittel aller Todesfälle bei Personen über 35 Jahre verantwortlich. Die Prävalenz ist mit 50% bei Männern und 33% bei Frauen relativ hoch. „Auch sollte man bedenken, dass sich das Krankheitsbild nicht selten erstmalig in Form eines katastrophalen Ereignisses, nämlich als Myokardinfarkt oder sogar als akuter Herztod präsentiert, was die Notwendigkeit eines Screenings unterstreicht“, so Gori.

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Zuerst ein Ruhe-EKG — mehr nicht.

© Gennadiy Poznyakov / Fotolia (Symbolbild mit Fotomodellen)

Für die individuelle Abschätzung des KHK-Risikos bieten sich verschiedene Scores an. Als Hochrisiko-Patienten gelten Diabetiker, vor allem solche mit Endorganschäden, Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und solche mit ausgeprägten Risiken wie etwa einer familiären Hypercholesterinämie oder einer schweren Hypertonie.

Ischämienachweis zur Risikostratifizierung

Ein anderes Verfahren zur Risikostratifizierung ist der Ischämienachweis mittels Ergometrie, Stress-Echo, Stress-MRT oder SPECT. Ein fehlender Ischämienachweis signalisiert eine sehr gute Prognose. Sind dagegen > 10% des Myokards ischämisch, so ist das Risiko für Infarkt oder Tod auch bei asymptomatischen Patienten signifikant erhöht. Eine Belastungsuntersuchung wird in der Leitlinie bei asymptomatischen Patienten aber nicht propagiert, sondern nur ein Ruhe-EKG, und ein solches nur dann, wenn eine arterielle Hypertonie oder ein Diabetes mellitus vorliegen (Klasse II a, C). Ansonsten kann ein Ruhe-EKG erwogen werden (Klasse IIb, C). Eine Echokardiografie wird nur zur Detektion der linksventrikulären Hypertrophie empfohlen (Klasse IIb), bei Normotonikern gar nicht.

Welcher Belastungstest?

Sollte man sich aber entgegen der Leitlinie doch für eine Belastungsuntersuchung entscheiden, so ist ein bildgebendes Verfahren zuverlässiger und aussagekräftiger, da damit auch das quantitative Ausmaß der Ischämie beurteilt werden kann. Bei einer geringen bzw. mittleren Vortest-Wahrscheinlichkeit von 15–65% reicht die Ergometrie, bei einer Wahrscheinlichkeit von 65–85% sollte ein Stress-Echo oder ein Stress-MRT durchgeführt werden.

Die Messung des koronaren Kalks wird in der ESC-Leitlinie bei asymptomatischen Patienten nur dann empfohlen, wenn der Patient über 40 Jahre ist und an einem Diabetes leidet (IIb B). Eine koronare CT-Angiografie wird bei asymptomatischen Patienten grundsätzlich nicht propagiert (III C).

Keine PCI ohne Ischämienachweis

Wird bei einer invasiven oder nicht-invasiven Koronarangiografie eine höhergradige Stenose nachgewiesen, stellt sich bei asymptomatischen Patienten die Frage: Intervenieren oder nicht? „Zunächst sollte immer ein Ischämienachweis angestrebt werden“, so Gori. Für die Intervention gebe es ja nur eine prognostische Indikation, eine symptomatische entfalle, da der Patient ja beschwerdefrei sei. Eine Verbesserung der Prognose sei nur dann zu erwarten, wenn das Ischämieareal > 10% betrage. Ansonsten könne man mit der Revaskularisation sogar die Prognose verschlechtern.

Im Alltag werde hier häufig eine Übertherapie betrieben. Sinnvoll dagegen sei eine medikamentöse antiischämische Therapie, da sie auch bei stummen Ischämien nicht-tödliche und tödliche kardiovaskuläre Ereignisse verhindern kann.