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Prof. Dr. med. A. Wirth Bad Rothenfelde, Deutsche Adipositas Gesellschaft

_ Zur Identifikation von Adipösen mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko sind in letzter Zeit viele Publikationen erschienen. Nun erlaubt eine prospektive britische Untersuchung mit 3,5 Millionen Personen im Alter über 18 Jahren eine differenzierte Sichtweise. Als initial metabolisch gesund wurden alle Probanden eingestuft, die frei von Diabetes, Hypertonie, Dyslipidämie und kardiovaskulären Krankheiten waren. Die Daten wurden den elektronischen Patientenakten entnommen.

Nach durchschnittlich 5,4 Jahren zeigte sich, dass 5,6% der untersuchten adipösen Patienten einen Diabetes, 11,5% eine Dyslipidämie und 10,5% eine Hypertonie entwickelten.

Im Vergleich zu Normalgewichtigen stieg das Risiko für eine KHK bei Übergewichtigen um 30%, bei Adipösen um 49%. Das Risiko für eine Herzinsuffizienz wurde durch Übergewicht um 11% erhöht, durch Adipositas sogar um 96%. Weniger stark ausgeprägt war die Risikosteigerung für eine zerebrovaskuläre Erkrankung. Jenes für die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) stieg überhaupt nicht.

Es zeigte sich zudem, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit der Anzahl metabolischer Abnormalitäten stieg.

KOMMENTAR

Die bisher veröffentlichten Daten waren inkonsistent und teilweise widersprüchlich, insbesondere in Bezug auf die KHK und PAVK. Die vorliegende Studie ist sehr hochwertig. Sie ist prospektiv, während die meisten bisherigen retrospektiv waren. Aufgrund der hohen Probandenzahl traten 165.302 klinische Ereignisse auf. Die Daten konnten für Alter, Geschlecht, Raucherstatus und den sozioökonomischen Status korrigiert werden. Die Diagnosen wurden Patientenakten entnommen, nicht erfragt.

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Die Ergebnisse belegen, dass die Abwesenheit von metabolischen Risikofaktoren bei Übergewicht und Adipositas kein Garant für das Ausbleiben von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Es gibt zwar lebenslang gesunde Adipöse, aber wir können sie bis jetzt nicht sicher identifizieren. Für die Praxis heißt das: Adipöse Patienten ohne metabolische Komplikationen sollten hinsichtlich der Risikostratifizierung wie Adipöse mit metabolischen Abnormalitäten eingeschätzt und auch therapiert werden.