figure 1

Ulrich Weigeldt

_ Mit Jens Spahn zieht ein ausgewiesener Kenner des Gesundheitswesens ins Bundesgesundheitsministerium ein. In seiner Funktion als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU hat er unter Beweis gestellt, dass er sich nicht scheut, in die Tiefen und Details des Systems einzutauchen. Das sind beste Voraussetzungen, denn den großen Wurf, mit dem alle Probleme gelöst werden, gibt es nicht. Es kann nur Schritt für Schritt gehen.

Ganz oben auf der Agenda des neuen Ministers wird mit Sicherheit das Megathema Pflege stehen. Das ist auch richtig so! Es ist offensichtlich, dass in diesem Bereich massive Investitionen dringend notwendig sind. Auch wir Hausärzte nehmen hier eine wichtige Rolle ein. Neben der Verbesserung der hausärztlichen Versorgung in Altenheimen geht es natürlich auch darum, die Versorgung pflegebedürftiger Menschen in den eigenen vier Wänden sicherzustellen.

Hausärzte können dabei durch sogenannte VERAH® unterstützt werden — speziell weitergebildete medizinische Fachangestellte, an die der Arzt bestimmte Aufgaben delegieren kann. Der weitere Ausbau dieses Programms ist daher aus unserer Sicht ein wichtiger Baustein, um die Herausforderungen zu meistern.

Darüber hinaus müssen aber v. a. die sprechende Medizin und die Hausbesuche dringend besser vergütet werden. Das Gute ist: Genau das sieht der Koalitionsvertrag auch explizit vor. Leider haben wir in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass die Vorgaben der Politik in den Mühlen der Selbstverwaltung zerrieben wurden. Man darf also nicht nur politische Vorgaben machen, sondern muss gleichzeitig sicherstellen, dass diese nicht wieder auf halbem Wege versickern — häufig genug mit tatkräftiger Unterstützung des KV-Systems.

figure 2

Der CDU-Politiker Jens Spahn ist nun Bundesgesundheits-minister.

© Monika Skolimowska / dpa-Zentralbild / picture alliance

Warum stockt die Digitalisierung?

Ein weiteres Thema bleibt natürlich die Digitalisierung. Es gibt wohl keinen Bereich im Gesundheitswesen, über den in den vergangenen Jahren so viel geredet wurde — und in dem so wenig passiert ist. Bei der digitalen Patientenakte stehen wir größtenteils immer noch dort, wo wir vor vier Jahren waren.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die notwendige Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht allein innerhalb des Systems geleistet werden kann. Wir kämpfen z. B. nach wie vor damit, dass es dort, wo Telemedizin am dringendsten gebraucht wird — v. a. im ländlichen Raum — nach wie vor keine vernünftige Internetabdeckung gibt. Wenn man diese grundsätzlichen Probleme nicht in den Griff bekommt, wird es naturgemäß auch mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens schwierig.

Ein sehr wichtiger Punkt ist auch die hausärztliche Nachwuchssicherung. Vor über einem Jahr hat die Bundesregierung den Masterplan Medizinstudium 2020 beschlossen. Dass diese Reform jetzt im Koalitionsvertrag erneut auftaucht, verdeutlicht bereits: Es ist bisher nicht viel passiert!

Das ist angesichts der Dringlichkeit kaum nachvollziehbar. Alle Akteure sind sich einig, dass wir unbedingt eine Stärkung der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Versorgung im Medizinstudium brauchen. Stattdessen hängt das Projekt auf den letzten Metern, insbesondere bei den Universitäten! Damit muss in den nächsten Monaten endlich Schluss sein, denn von Lippenbekenntnissen allein können sich überfüllte Hausarztpraxen, die keinen Nachfolger finden, nichts kaufen!