_ Ein Vater kam mit seiner 10-jährigen Tochter in die Sprechstunde. Er wolle fragen, ob es der Kleinen schade, wenn sie dauerhaft laktosefreie Milch trinke. Sie habe in letzter Zeit vor der Schule oft über Bauchschmerzen geklagt, deshalb hätten sie das mal ausprobiert. Und siehe da: Seit sie das Frühstücksmüsli mit laktosefreier Milch anrühre, gehe es ihr wieder besser. Nun seien sie aber nicht sicher, ob es ihr dadurch nicht an irgendetwas mangele.

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Seit Neuestem frühstückt sie wie ein Weltmeister.

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Auch wenn mir die Befürchtung abwegig erschien, sprach sie doch dafür, dass sich die Eltern um ihre Kinder Gedanken machen. Also erklärte ich, dass es sich im Grunde um normale Milch handelte, in der lediglich der Zweifachzucker Laktose aufgespalten wird, sodass dies nicht mehr im Darm geschehen muss. Nebenbei erwähnte ich, dass laktosefreie Milch deshalb auch süßer schmecke als normale.

An dieser Stelle sah ich die Tochter plötzlich, unbemerkt vom Vater, still in sich hineinlächeln. Die Geschmacksveränderung hatte sie also auch wahrgenommen. Da fiel mir ein, dass die Mutter vor einigen Monaten erwähnt hatte, dass sich die ganze Familie nun zuckerfrei ernähre.

Ich hielt es nicht für ratsam, den Vater darauf aufmerksam zu machen, dass er eine clevere Tochter hatte, die so in den Genuss der wahrscheinlich vermissten Süße kommt. Ich hielt auch eine Absicht oder sogar eine geschickte Manipulation für sehr unwahrscheinlich. Dass die Kleine den angenehmen Nebeneffekt ihrer „besonderen Ernährung“ genoss, dessen war ich mir aber sicher.

Und wenn ein versüßtes Frühstück die Bauchschmerzen vertreibt, können sie ja keine so ernsthafte Ursache gehabt haben.