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Auffälliger Befund an der A. temporalis.

© Arteria Photography (Symbolbild mit Fotomodell)

_ Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist ein Notfall: „15–20% der Patienten erblinden, bevor sie eine Therapie erhalten“, warnte die Hamburger Internistin Prof. Eva Reinhold-Keller. „Der Visusverlust ist meistens permanent, man kann dann nur noch etwas für das zweite Auge tun.“ Aus diesem Grund ist die Dringlichkeit der Therapie auch eine der fünf Positivempfehlungen der Initiative „Klug entscheiden in der Rheumatologie“. Danach soll bereits bei klinischem Verdacht „unverzüglich“ mit einer Glukokortikoidtherapie begonnen werden, „die Diagnostik soll den Therapiebeginn nicht verzögern“.

Wann Verdacht schöpfen?

Die Großgefäßvaskulitis betrifft vor allem Menschen über 60, so Reinhold-Keller. Verdächtig auf eine RZA sind

  • temporale Kopfschmerzen

  • klinisch auffällige A. temporalis

  • Sehstörungen (Amaurosis fugax)

  • Kauschmerzen

  • schmerzhafte Kopfhaut

  • begleitende Polymyalgia rheumatica

  • BSG-/CRP-Erhöhung

Kauschmerzen sind ein sehr sensitiver Parameter für die RZA. „Die Schmerzen sind wie die Claudicatio bei PAVK, das Kauen fällt mit jedem Bissen schwerer.“ Ein weiteres Indiz: „Die Patienten können sich oft gar nicht das Haar bürsten, weil die Kopfhaut so schmerzt.“

30% ohne Kopfsymptomatik

Allerdings lassen sich mit den genannten Symptomen bestenfalls 70% der Patienten frühzeitig identifizieren. „30% der Patienten haben überhaupt keine Kopfklinik“, betonte Reinhold-Keller. Diese Patienten müssen meist lange diagnostische Wege zurücklegen, bevor die RZA erkannt wird (s. Kasten).

Komplikation Aortenaneurysma

Bei klinischem Verdacht auf eine RZA muss sofort eine Therapie mit Prednisolon eingeleitet werden. Bei unkomplizierter RZA, d. h. ohne ischämische Ereignisse, werden 1 mg/kg KG Prednisolon empfohlen. „Bei ischämischen Ereignissen kann durchaus auch drei Tage lang höher dosiert mit Methylprednisolon behandelt werden“, so Reinhold-Keller. Bei ausreichender Nierenfunktion wird zusätzlich Methotrexat empfohlen. „Damit kann man die Prednisolondosis und das Rezidivrisiko halbieren.“ Da die Patienten vor allem im ersten Jahr ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko haben, wird außerdem zu einer ASS-Therapie geraten.

Die Therapie mit Glukokortikoiden ist bei den meist älteren Patienten nicht unproblematisch. Reinhold-Keller erinnerte an das erhöhte Risiko für Hämatome, Osteoporose und Infektionen. Sie mahnte allerdings, dass es nicht sinnvoll sei, deswegen weniger aggressiv zu behandeln: „Die RZA ist keine gutartige Vaskulitis. Bis zu 30% der Patienten entwickeln ein Aortenaneurysma.“ Das Risiko bleibe lebenslänglich. Daher müssten auch Patienten mit ausgeheilter RZA dauerhaft auf Aortenaneurysmen gescreent werden.

Erstes Biologikum gegen RZA

Eine neue Option in der Therapie der RZA ist der Interleukin-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab, der 2017 als erstes Biologikum die Zulassung in dieser Indikation erhalten hat. Sein Einsatzgebiet sieht Reinhold-Keller vor allem bei refraktären Verläufen und hohem Prednisolonbedarf sowie bei Patienten mit Risikofakoren und nach MTX-Versagen.