_ Es war der große Aufreger: In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gab TK-Chef Jens Baas im Oktober 2017 freimütig zu, dass die Krankenkassen beim Risikostrukturausgleich (RSA) schummeln. Es gebe einen Wettbewerb, wer es schaffe, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen aufzuschreiben — um der Kasse mehr RSA-Geld zu sichern.

Vehikel für diese Taktik sind die sogenannten Betreuungsstrukturverträge mit den KVen, von denen es bis vor Kurzem bundesweit 55 gab. In diesen werden in der Regel quartalsweise und kontaktabhängig Pauschalen gezahlt, deren Höhe sich nach Anzahl und Art der Diagnosen richtet, die der Arzt für den Patienten dokumentiert. Doch der Wind hat sich gedreht: Auf der 89. Aufsichtsbehördentagung in München wurden die Verträge im letzten Jahr als rechtswidrige Anreizsysteme eingestuft.

MMW-KOMMENTAR

Nach dem politischen Donnerwetter bekommen nun mehr und mehr Kassen kalte Füße und kündigen die Betreuungsstrukturverträge. Aktuell hat dies gerade die TK in Hessen getan. Die Dummen könnten am Ende die Vertragsärzte sein.

Man muss sich bewusst machen, dass diese nach ICD-10 kodierten Diagnosen nicht nur für die Berechnung wichtig sind, wie viel Geld die Kassen aus dem RSA bekommen. Sie entscheiden auch darüber, wie stark die Gesamtvergütung für die Ärzte in jedem Jahr steigt. Denn das Honorarplus besteht nicht nur aus der Anhebung des Orientierungspunktwerts, die bekanntlich für das Jahr 2017 bei lediglich 0,9% lag. Darüber hinaus gibt es einen wichtigen Zuschlag, der davon abhängt, wie sich die Morbidität entwickelt hat. Deshalb heißt es ja auch „morbiditätsorientierte Gesamtvergütung“ (MGV).

Um diese Entwicklung zu messen, muss man sich natürlich die tatsächlich von den Ärzten kodierten Diagnosen ansehen. So wird klar, dass das „Right Coding“ ureigenstes Interesse der Ärzte ist. Es sollte uns auch ohne Betreuungsstrukturverträge wichtig sein.

Die Kassen sind so gesehen fein raus. Sie profitieren weiterhin davon, dass die Vertragsärzte einen hohen Aufwand beim Codieren betreiben — müssen dafür aber nichts mehr zahlen.

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Da geht das Extrahonorar dahin...

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