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Schmerz ist auch eine Blickdiagnose.

© amygdala_imagery / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell(en)

_ In der Schmerztherapie gilt das Dogma: Zur Not geht immer ein Opioid. Das trifft sicherlich für den postoperativen Schmerz zu. Hier gibt es für Opioide eine gute Evidenz, sodass sie als Therapiestandard angesehen werden. Gleiches gilt für den Tumorschmerz.

„Beim chronischen Nicht-Tumor-Schmerz ist die Evidenz im Hinblick auf die Wirksamkeit allerdings unzureichend“, so Dr. Johannes Jost, Facharzt für Allgemeinmedizin und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hausarztmedizin der Universitätsklinik Bonn. Vieles spricht dafür, dass der chronische Schmerz eine eigene Krankheitsentität darstellt, was mit dem bio-psycho-sozialen Modell beschrieben wird, mit anderen Worten, die Ursachen sind multifaktoriell. Und dem muss man auch therapeutisch Rechnung tragen.

Hohe Erwartungen der Patienten

Fragt man Schmerzpatienten, welche Erwartungen sie an den Arzt haben, so erhoffen sich über 70% eine deutliche Schmerzreduktion und 18% möchten sogar komplett schmerzfrei werden. Diese hohen Erwartungen sind unabhängig von Alter, Geschlecht und Schmerzintensität. Das Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ habe, so Jost, sicherlich zu einer Optimierung der Schmerztherapie im Krankenhaus geführt, zugleich aber unrealistische Erwartungen geweckt.

Eine besondere Herausforderung im hausärztlichen Alltag sind Patienten mit anhaltenden Rückenschmerzen. „Diese Patienten erwarten zunächst eine klare Diagnose mit umfassenden Informationen und auch eine körperliche Untersuchung“, so Jost. Das „Anfassen“ sei für den Patienten ein wichtiges Ritual. Auch sollte man den Schmerz nicht bagatellisieren, sondern zunächst einmal anerkennen. Schmerzpatienten wollen ernst-genommen und gehört werden.

Multifunktioneller Ansatz

Die Therapie von Patienten mit einem chronischen Schmerzsyndrom erfordert einen multifaktoriellen Ansatz. Das Spektrum der therapeutischen Maßnahmen reicht von physikalischen Verfahren bis hin zu verschiedenen Analgetika. Das alles hat aber nur eine begrenzte Wirkung, d. h. die damit zu erreichende Besserung liegt zwischen 20 und 30%, wie eine umfassende Metaanalyse ergab. „Es besteht somit eine große Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Patienten und den tatsächlichen Möglichkeiten“, so Jost. Erstaunlich gut hat dabei die Infrarot-Bestrahlung abgeschnitten. Und auch Massagen erwiesen sich bei dieser Auswertung den NSAR als überlegen.

Funktionelle Therapieziele definieren

„Diese Ergebnisse zeigen, dass Schmerzfreiheit ein unrealistisches Behandlungsziel darstellt, wir müssen die eigenen Limitationen anerkennen“, so Jost. Darüber sollte man auch den Patienten ehrlicherweise aufklären. Es sei aber wichtig, kleine bescheidene, aber für den einzelnen Patienten durchaus wichtige Therapieziele anzusteuern. „Von welchen Dingen hält der Schmerz Sie ab? Was würden Sie gerne wieder tun können?“ Solche funktionellen Therapieziele bildeten die Lebensrealität von chronischen Schmerzpatienten besser ab als eine eindimensionale visuelle Analogskala und seien deshalb auch besser geeignet, den Erfolg der Therapie zu beurteilen.

Aber nicht nur der Arzt, auch der Patient muss handeln. Empfehlenswerte Wege aus dem Schmerz sind Sport, Gewichtsreduktion, Rauchstopp und Entspannungsübungen.