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_ Ohne Genetik geht in der Onkologie nichts mehr. In der modernen molekularen Diagnostik geht es einmal darum, Träger eines erhöhten Malignomrisikos mittels Gendiagnostik zu identifizieren. Bekanntes Beispiel ist der Nachweis von BRCA-Mutationen beim Mammakarzinom. Ein solcher beeinflusst nicht nur Therapieentscheidungen, sondern ist auch relevant für Vorsorgestrategien und Familienuntersuchungen.

Targeted therapy auf dem Vormarsch

Im Hinblick auf den Einsatz neuer zielgerichteter Therapiestrategien sollte die Erstellung des Genprofils des Tumors heute zur Standarddiagnostik bei vielen Malignomen, v. a. dem kolorektalen und dem Lungenkarzinom gehören. Der Nachweis von Treibermutationen hat Einfluss auf Therapieentscheidungen im Sinne einer personalisierten Behandlung und ist auch relevant für die prognostische Einschätzung. Bei fehlendem Ansprechen oder bei Progression gilt es, Resistenzmechanismen zu analysieren — auch dabei ist die molekulare Diagnostik unverzichtbar.

Eine noch breitere Anwendung der molekularen Diagnostik ist durch die Einführung der „liquid biopsy“ zu erwarten. Mit diesem Verfahren können nicht nur zirkulierende Stamm- und Tumorzellen aus Plasma oder Serum detektiert werden, sondern auch zellfreie Tumornukleinsäuren wie cfDNA, mikroRNA und mRNA. Nur so gelingt es, die Heterogenität des genetischen Tumorprofils zu erfassen; denn nicht alle Bereiche eines Tumors haben das gleiche Genprofil, und bei Metastasen kann es wiederum anders sein als beim Primärtumor.

Tumorkontrolle mit Hilfe des Immunsystems

Nicht weniger erfolgversprechend ist die Immuntherapie. Dazu gehören einmal Antikörper, die natürliche Killerzellen aktivieren und/oder Tumorzellen markieren, sodass diese durch die Antikörper-vermittelte Zytotoxizität zerstört werden. Zur Verfügung stehen auch bispezifische Antikörper, die auf der einen Seite an T-Zellen andocken und diese aktivieren und sich auf der anderen Seite an die Tumorzelle haften, wodurch T-Zellen und Tumorzellen in direkten räumlichen Kontakt gebracht werden.

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Aktivierte T-Zellen (rot) attackieren Tumorzellen (weiß).

© Duncan Comprehensive Cancer Center at Baylor College of Medicine / NATIONAL CANCER INSTITUTE / Science Photo Library

Ein anderes Wirkprinzip sind die Checkpoint-Inhibitoren, die bei den T-Zellen die „Bremsen“ lösen, die der Tumor ihnen angelegt hat. Nach dem malignen Melanom hat dieses Therapiekonzept mittlerweile auch Einzug gehalten in die Therapie des Lungen- bzw. Nierenzellkarzinoms und des M. Hodgkin. Weitere Tumoren werden folgen.

Eine gute Wirksamkeit solcher Immuntherapien ist besonders dann zu erwarten, wenn unabhängig vom Tumortyp eine Störung der DNA-Reparatur („mismatch repair deficiency“) vorliegt.

Die Therapie wird komplexer

Unbestritten hat die therapeutische Vielfalt bei vielen Tumoren stark zugenommen, und die Dynamik ist ungebrochen. Damit wird die Therapie zwangsläufig immer komplexer. Für den behandelnden Arzt ist es eine besondere Herausforderung, aus dem, was medizinisch möglich ist, das für den einzelnen Patienten Sinnvolle herauszufiltern. Dabei muss im Einzelfall unter Einbeziehung des Patienten auch entschieden werden, ob eine Zweit- oder sogar Drittlinientherapie wirklich von Nutzen ist.