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© MangoStar_Studio / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell(en)

_ „Es ist manchmal schon erstaunlich, welche Leute zu unseren Veranstaltungen kommen“, so Prof. Hans Hauner auf dem Welt-Psychiatrie-Kongress in Berlin. Der Direktor des Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München erlebt immer wieder, wie schwer es Veganern und Vegetariern fällt, auf eine gute Versorgung mit B-Vitaminen zu achten, vor allem auch in der Schwangerschaft. Gerne nenne er dann Studien, in denen Föten unter B-Vitamin-Mangel zu klein wurden und sich nicht gut entwickelten. Vitamin B12 zu supplementieren sei aber ein Vorschlag, der häufig nicht gut ankommt. „Dann sind die Kinder eben klein, mir geht es ums Prinzip“, bekam er schon zu hören. „Hier steht oft eine Ideologie im Vordergrund, die man nicht mit rationalen Argumenten beseitigen kann“, sagte Hauner.

Essen wird heute immer weniger als Prozess verstanden, der den Körper mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgt, sondern um sich darzustellen und sozial abzugrenzen, erläuterte der Experte.

Problematisch ist ein solches Verhalten, wenn sich Menschen radikalisieren und ihre Ernährungsweise zur Religion oder Ideologie erheben — wie die Frau, die dafür auch Schäden bei ihren Kindern in Kauf nimmt. In solchen Fällen ist damit zu rechnen, dass die Betroffenen an einer Essstörung leiden oder eine solche entwickeln, sagte Dr. Martin Greetfeld, Oberarzt an der Schön Klinik Roseneck in Prien.

Von der Orthorexie in die Anorexie

Greetfeld berichtete von einer 21-jährigen Veganerin aus seiner Klinik. Die Frau hatte vor der Aufnahme einen starken Fokus auf gesunde Ernährung gelegt. Irgendwann verfiel sie aber in ein stark orthorektisches Ernährungsverhalten. Dieses diente dann als Vorwand für die Nahrungsrestriktion — sie wollte sich immer verantwortungsbewusster und nachhaltiger ernähren. Schließlich entwickelte sich eine ausgeprägte Anorexie — bei der Klinikaufnahme hatte sie einen BMI von knapp über 13.

Offenbar ist ein solcher Verlauf bei Anorexie- und Bulimiepatienten nicht selten. Greetfeld verwies auf eine Untersuchung bei 437 Patienten seiner Klinik. Die meisten kamen aufgrund einer Anorexie oder Depression. Rund 18% der Patienten mit Anorexie oder Bulimie waren Vegetarier, aber nur 4% der Depressiven — bei ihnen lag die Rate auf dem Niveau der Allgemeinbevölkerung. Eine Orthorexie konnten die Ärzte bei 38% der Patienten mit Anorexie und 25% mit Bulimie feststellen, unter den Depressiven waren es 2% und damit nicht mehr als in der übrigen Bevölkerung.

Greetfeld erinnerte an die typischen Kernmerkmale einer Orthorexie wie die Fixierung auf eine vermeintlich gesunde Lebensweise, die Angst, durch bestimmte Lebensmittel krank zu werden, die strikte Einteilung in „gesund“ und „ungesund“ sowie eine Genussunfähigkeit.