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_ Der Graben zwischen somatischer und psychiatrischer Medizin ist noch immer groß: Er höre gelegentlich auch von Ärzten, die Psychiatrie sei gar keine richtige Medizin, die Diagnosen beliebig, die Therapien wirkungslos, sagte Prof. Sir Simon Wessely vom Kings’s College, London. Mit dieser Einstellung schadeten sich Ärzte jedoch selbst. Wessely verwies auf eine US-Untersuchung, wonach eine organische Ursache nur bei rund 10% derjenigen Patienten zu finden sei, die einen Arzt wegen Brust-, Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerz, Fatigue oder Benommenheit aufsuchten. „Nicht wenige dieser Patienten dürften an einer Depression oder Angststörung leiden“, sagte der Psychiater.

In einer eigenen Untersuchung am Kings’ College fanden somatische Fachärzte bei mehr als der Hälfte der Neuzugänge keine Ursachen für die Beschwerden. Wenn man bedenke, dass ein Kardiologe um die 30 Patienten in der Woche neu zu Gesicht bekomme und davon etwa die Hälfte keine körperlichen Auffälligkeiten zeige, sei davon auszugehen, dass Kardiologen jede Woche mehr neue Patienten mit psychischen Störungen in der Praxis hätten als niedergelassene Psychiater, die pro Woche oftmals nur drei bis vier Neuzugänge begrüßten. Studien haben zudem, ergeben, dass Patienten mit chronischer Fatigue, Reizdarm, chronischem Rückenschmerz oder anderen Diagnosen ohne organischen Befund bei Ärzten als besonders schwierig gelten, weil die Behandlung oft frustran sei. Viele Ärzte würden nicht realisieren, dass solche Krankheiten oft eine sehr starke psychische Komponente hätten.

Wessely forderte daher eine bessere Verzahnung der Psychiatrie mit anderen Disziplinen, etwa über psychiatrische Konsile in Allgemeinkrankenhäusern sowie eine stärkere Einbindung der Psychiatrie in die Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal. Dies könne auf lange Sicht auch Geld sparen. Der Experte verwies auf Projekte in Großbritannien, bei denen die Einbeziehung von Psychiatern in Allgemeinkrankenhäusern die Therapiekosten reduzieren konnte. So würden etwa Typ-2-Diabetiker mit schlechter psychischer Gesundheit doppelt so viele finanzielle Ressourcen benötigen wie jene mit robustem seelischen Zustand.