figure 1

© Andy Astbury / Getty Images / iStock

Situation und Symptomatik

Die Schlange wird zweifellos als Kreuzotter (Vipera berus) identifiziert. In Norddeutschland ist sie die einzige endemische Giftschlange. Typisch für den Biss einer Kreuzotter sind die ausgeprägte Lokalreaktion und in den meisten Fällen ein sich schnell von der Bissstelle ausbreitendes Ödem. Darüber hinaus sind auch systemische Giftwirkungen (gastrointestinale, kardiovaskuläre, hämostaseologische, respiratorische, neurologische), anaphylaktische (IgE-vermittelte Soforttypreaktionen) oder anaphylaktoide Reaktionen möglich. Todesfälle durch Kreuzotterbiss wurden seit 50 Jahren nicht mehr beobachtet.

Sofortmaßnahmen und Therapie

Neben der sorgfältigen Dokumentation der Symptomatik mit Markierung des Ausmaßes zur Verlaufsbeurteilung stehen lokale physikalische Therapiemaßnahmen im Vordergrund. Eine Antivenomtherapie ist in den allermeisten Fällen nicht notwendig. Die Indikation zur Antivenomgabe wird anhand aktueller Empfehlungen und in Rücksprache mit dem Giftnotruf gestellt.

Die betroffene Extremität sollte ruhiggestellt, hochgelagert, die Wunde gesäubert und desinfiziert werden. Außerdem ist eine moderate Kühlung, z. B. mit feuchten Umschlägen, sinnvoll. Der Tetanusimpfschutz muss gegebenenfalls aufgefrischt werden. Bei manifester Koagulopathie erfolgt die Tetanusimpfung nach der Antivenomgabe und wieder ausreichender Gerinnung.

Eine anaphylaktische Reaktion wird leitliniengerecht je nach Schweregrad mit Adrenalin, Prednisolon und Antihistaminika behandelt. Die Wirksamkeit einer prophylaktischen Gabe von Prednisolon ist nicht belegt. Ebenso sollte keine prophylaktische Antibiotikagabe erfolgen. Diese ist nur indiziert bei hinreichendem V. a. eine Weichteilinfektion im Bereich der Bisswunde. Empfohlen werden Aminopenicilline oder Cephalosporine der 2. und 3. Generation.

Zu beachten ist die hämostaseologische Giftwirkung. Diese kann sowohl hämorrhagisch mit Einblutungen insbesondere um die Bisswunde herum als auch prothrombotisch sein. Eine Thromboseprophylaxe sollte während des stationären Aufenthaltes unbedingt durchgeführt werden. Thrombozytenaggregationshemmende Analgetika sind dagegen zu vermeiden.

Ambulant oder stationär?

Nicht jeder Patient mit Schlangenbiss muss stationär verbleiben. Bei Ausbleiben einer relevanten Lokalreaktion oder systemischen Giftwirkung in den ersten vier bis sechs Stunden nach dem Bissereignis kann der Patient entlassen werden. Bei allen anderen Konstellationen (progrediente Schwellung, Anaphylaxie, systemische Giftwirkung) sollte der Patient mindestens 24 Std. auf einer Intermediate-Care-Station überwacht werden. Eine Entlassung wird erst nach hinreichender Regression der Symptomatik empfohlen.