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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Privatpraxis für Integrative Innere Medizin, München

_ 8–18% der Menschen über 65 Jahre haben die Laborkonstellation einer latenten Hypothyreose. Bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Muskelschwäche, Schlafstörungen oder Vergesslichkeit wird dann oft ein Therapieversuch mit L-Thyroxin gemacht.

In einem doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Parallelgruppenvergleich wurden 737 Personen über 65 Jahre (74,4 Jahre im Median) mit anhaltender latenter Hypothyreose (TSH-Wert von 4,60–19,99, im Mittel 6,40 ± 2,01 mIU/l) mit L-Thyroxin oder Placebo behandelt. Die Startdosis betrug 50 μg/d, Teilnehmer unter 50 kg oder mit KHK erhielten die Hälfte.

Die Dosis wurde kontinuierlich dem TSH-Wert angepasst. Nach einem Jahr war der Wert in der Placebogruppe auf 5,48 mIU/l und in der L-Thyroxin-Gruppe bei einer mittleren Dosis von 50 μg auf 3,63 mIU/l zurückgegangen.

Indes ergaben sich in der Verumgruppe keine Vorteile hinsichtlich der sekundären Symptome, etwa bei Müdigkeit, Griffstärke, Blutdruck, Körpergewicht, Bauchumfang, BMI, kognitiver Funktion und Barthel-Index. Unerwünschte Begleiteffekte traten aber auch nicht auf. Zu kardiovaskulären Effekten war keine valide Aussage möglich.

KOMMENTAR

Anzumerken ist, dass der TSH-Normbereich heute in vielen Empfehlungen bereits bei 2,5 mIU/l endet. Aber sowieso hat die Studie für die praktische Medizin nur wenig Bedeutung. In der Ratlosigkeit über die Ursachen unspezifischer Beschwerden im Alter greifen viele Ärzte nach dem Strohhalm der latenten Hypothyreose, wenn er sich denn laborchemisch ergibt. Denn sie dient als Erklärung für die Beschwerden — und wird allemal besser akzeptiert als die Diagnose einer Depression. Schon allein deshalb ist sie sinnvoll, egal was die Wissenschaft sagt. Denkt doch auch an die armen Ärzte!