_ „Einen Großteil Ihrer Zeit beschäftigen Sie sich im Praxisalltag mit psychokardiologischen Problemen“, sagte Prof. Christiane Waller von der kardiologischen Universitätsklinik in Ulm. Bei KHK-Patienten spiele die Psyche für die Manifestation und Progression eine wichtige Rolle. In der INTERHEART-Studie wurde gezeigt, dass psychosoziale Einflüsse sogar einen der wichtigsten Risikofaktoren überhaupt darstellen. Dazu zählen Depression, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und Stress.

Niedriger Cortisolspiegel

Eine Depression erhöht nachweislich das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz verschlechtert sie die Prognose quo ad vitam. Die Zusammenhänge sind noch nicht vollständig erforscht. Fest steht, dass eine Depression die Cortisol-Verfügbarkeit vermindert, erklärte Waller. Je stärker die Depressivität bei einem KHK-Patienten, desto niedriger ist sein basaler Cortisolspiegel, und je niedriger die basalen Cortisolspiegel, desto stärker ist die „low grade inflammation“.

Um einer Depression auf die Spur zu kommen, sollten Sie zwei Screeningfragen stellen:

  1. 1.

    Fühlen Sie sich in letzter Zeit oft niedergeschlagen, hoffnungslos oder traurig?

  2. 2.

    Haben Sie in letzter Zeit das Interesse an Dingen verloren, die Sie sonst gerne gemacht haben?

„Diese einfache Depressionsdiagnostik zeigt zwar eine hohe Sensitivität, aber eine niedrige Spezifität“, so Waller. Bei Verdacht sei deshalb eine weiterführende Diagnostik durch genaueres Abfragen von Symptomen (gedrückte Stimmung, Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit, verminderte Konzentration, vermindertes Selbstwertgefühl, Schlafstörung, Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit etc.) nötig. „Das Problem allerdings ist, das bisher keine evidenzbasierte antidepressive Therapie zur Verfügung steht, nachdem in einer Studie mit einem SSRI bei herzinsuffizienten Patienten kein Benefit nachgewiesen werden konnte“, so Waller. Derzeit laufen einige randomisierte Studien, um die Wirkung einer Psychotherapie zu untersuchen.

Posttraumatische Belastungsstörung vor und nach Infarkt

„Nach einem Infarkt haben die Betroffenen ein deutlich erhöhtes Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung“, so Waller. Die Prävalenz einer PTBS nach Herzinfarkt beträgt 15%. Umgekehrt ist jede PTBS unabhängig vom auslösenden Ereignis ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse. „Patienten mit einem PTBS haben häufiger Infarkte und benötigen häufiger eine Bypassoperation“, so Waller. Bei ICD-Trägern verschlechtert eine PTBS die Überlebenschance.

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Ein „gebrochenes Herz“ kann tödlich sein.

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Definitionsgemäß spricht man von einer PTBS, wenn die Symptomatik mindestens einen Monat nach dem traumatischen Ereignis anhält. Typisch sind Wiedererinnerung (Flashbacks), Vermeidungsverhalten, emotionale Abflachung und Übererregbarkeit, was zu einer bedeutsamen funktionellen Einschränkung in wichtigen Lebensbereichen führt. Betroffene leiden unter Albträumen, vermeiden Situationen, die an den Herzinfarkt erinnern, sind dauernd in erhöhter Alarmbereitschaft bzw. schreckhaft und entfremden sich von ihren Mitmenschen. „Es empfiehlt sich, bei allen Post-Infarktpatienten nach solchen Symptomen zu fahnden“, so Waller.

Die Spuren reichen bis in die Kindheit

Nach neueren Studien erhöhen sogar Traumatisierungen in der Kindheit wie Vernachlässigung und Missbrauch, das Risiko für schwere somatische Erkrankungen wie Hypertonie, KHK, COPD und Krebs im Erwachsenenalter. „Die Wurzeln des erhöhten kardiovaskulären Risikos liegen oft schon im Kindesalter, sodass die Prävention früh einsetzen sollte, um spätere kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern“, so Waller.