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Prof. Dr. med. P. Schwarz Abteilung Prävention, Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Dresden

_ Im Rahmen der Studie sollte ein Risikoscore entwickelt werden, um Personen mit Prädiabetes einfach zu identifizieren. Zudem sollte ein Interventionsprogramm entwickelt werden, welches im Umfeld einer Hausarztpraxis effektiv Diabetes verhindern kann.

44 Hausarztpraxen in Leicestershire nahmen an der Studie teil. Einer Screening-Phase folgte eine Interventionsstudie mit Cluster-Randomisierung auf der Ebene der Arztpraxen. Die Teilnehmer wurden über drei Jahre verfolgt.

17.972 Personen wurden basierend auf einem Risikoscore zu einem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) eingeladen. 3.449 (19,2%) nahmen tatsächlich teil. Bei 880 von ihnen (25,5%) wurde ein Prädiabetes festgestellt. Sie wurden in die Interventionsstudie inkludiert. Der Frauenanteil lag bei 36%, das Durchschnittsalter bei 64 Jahren.

In den Praxen erhielten sie randomisiert entweder die Standardbehandlung oder eine Intervention, nämlich sechs Stunden strukturierte Schulungsprogramme mit einer jährlichen Booster-Session und regelmäßigen Telefonkontakten.

22,6% der Teilnehmer nahmen an keiner Schulung teil, immerhin 29,1% absolvierten alle Termine. 131 Teilnehmer entwickelten Diabetes — 67 im standardisierten Behandlungsrahmen, 64 in der Intervention. Die strukturierte Intervention reduzierte das Diabetesrisiko um 26%, was nicht statistisch signifikant war. Die Teilnehmer hatten allerdings statistisch signifikante Verbesserungen bei HbA1c-Wert, Lipidprofil und Lebensqualität. Die Intervention generierte 0,046 qualitätsadjustierte Lebensjahre über drei Jahre bei Kosten von ca. 200 Euro pro Patient. Sie wurde damit als kosteneffektiv angesehen.

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Viele Risikopatienten wollen keine intensive Lebensstil-Schulung.

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KOMMENTAR

Die Studie beleuchtet viele Aspekte, die für die praktische Umsetzung der Diabetesprävention relevant sind.

  • Patienten sind wenig interessiert, ein Erkrankungsrisiko validieren zu lassen. Mit viel Aufwand wurden die Risikopersonen identifiziert — aber weniger als 20% folgten der ärztlichen Einladung zum oGTT. Das ist schon überraschend.

  • Interventionen müssen sich an den Bedürfnissen der Teilnehmer orientieren. Trotz Risiko nahmen 22% der Teilnehmer an keiner Intervention teil — ein schlechtes Ergebnis für das Produkt „Prävention“.

  • Kosteneffektivität bei Minimalaufwand. Trotz mieser Response konnte mit einem Aufwand von etwa 200 Euro pro Teilnehmer das Diabetesrisiko innerhalb von drei Jahren reduziert werden.

Ich denke, Interventionen zur Diabetesprävention müssen eher als Verbraucherprodukte angesehen werden denn als eine medizinische Maßnahmen. Die Interventionen müssen intuitiv ein Bedürfnis des „Verbrauchers“ Patient decken, also z. B. gezielt seine Begeisterung für Bewegung ausnutzen.

Attraktive und minimal invasive Produkte, die einen gesunden Lebensstil unterstützen, können aber sehr wirkungsvoll sein. An dem Punkt müssen wir umdenken. Der Patient denkt als Verbraucher und möchte innerhalb kürzester Zeit eine Verbesserung der Lebensqualität verspüren. Die Entwicklung von modernen E-Health-Produkten könnte hier helfen. Der Arzt kann dabei ein sehr glaubwürdiger Vermittler sein.