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Zystitis ohne Bakterienbefund — das ist häufiger, als man meint.

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_ Nach Aussage von Prof. Kurt Naber, leitender Urologe an der TU München, muss bei Zystitiden zwischen Bakteriurie und Infektion differenziert werden. Während Keimzahlen < 105/ml früher als unbedeutend eingestuft wurden, ist inzwischen bekannt, dass selbst niedrige Keimzahlen (100/ml) signifikant sein können. So zeigen zwei von zehn symptomatischen Patienten eine „negative“ Bakterienkultur im Urin. Häufig findet sich umgekehrt auch eine asymptomatische Bakteriurie. Und man weiß, dass bestimmte Bakterien in der Harnblase sogar einen Schutz vor virulenten Erregern darstellen.

Symptome behandeln statt Keime abtöten

Nachdem die Bakteriurie nicht mehr das führende Kriterium in der Zystitisdiagnostik ist, kommt der Symptomatik umso größere Bedeutung zu. Deshalb wurde ein Fragebogen entwickelt (Acute Cystitis Symptom Score, ACSS), der typische Symptome einer Blasenentzündung abfragt, aber auch mögliche Differenzialdiagnosen, Lebensqualität und z. B. Schwangerschaft, Menopause, Diabetes berücksichtigt. Dieses Tool, so Naber, hat eine Sensitivität und Spezifität von etwa 90%.

„Wir brauchen eine Balance zwischen Bakterien und Wirt“, erklärte der Urologe. „Denn nicht die Erreger machen die Infektion, sondern der Wirt.“ Das Immunsystem des Patienten reagiert auf die Keime mit der Ausschüttung von Interleukinen, die letztlich für die Beschwerden verantwortlich sind.

Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass es ausreichen kann, nur die Symptome zu therapieren. In einer Pilotstudie konnte die akute unkomplizierte Zystitis der Frau sehr erfolgreich mit einer pflanzlichen Extraktkombination aus Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel (Canephron®) behandelt werden. Das Phytopharmakon hat einen nachgewiesenen diuretischen, spasmolytischen, antientzündlichen und (für E. coli) antiadhäsiven Effekt. Ein wichtiger Vorteil der Phytotherapie sei u. a. der fehlende Einfluss auf das intestinale Mikrobiom. Antibiotika setzt Naber bei unkomplizierten Harnwegsinfekten nur vor urologischen Eingriffen und während einer Schwangerschaft ein.