_ Bei einer 70-jährigen Patientin ist seit vielen Jahren ein Typ-2-Diabetes mellitus bekannt. Sie wird mit oralen Antidiabetika behandelt. Bei einem HbA1c-Wert von 8,5% ist die Stoffwechselsituation nicht zufriedenstellend eingestellt. Vor einigen Jahren wurde außerdem bei einer ausgeprägten Thrombozytose mit einer Thrombozytenzahl > 1.500/μl mittels Knochenmarkspunktion eine essenzielle Thrombozytose mit JAK2-Mutation diagnostiziert und eine medikamentöse zytoreduktive Therapie mit Hydroxyurea (Litalir®) eingeleitet, beginnend mit einer Dosierung von 1 g/Tag und Steigerung bei progredienter Thrombozytose auf 2 g/Tag.

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Ein Ulcus cruris kann zur differenzialdiagnostischen Herausforderung werden.

© H. Schulz, Bergkamen

Unklarer Hautbefund nach Bagatellverletzung

Die Patientin wird jetzt wegen eines „unklaren Hautbefundes“, der ca. 5 Wochen nach einer Bagatellverletzung entstanden ist, vorstellig. Klinisch imponiert der Befund als spontanes isoliertes Ulkus am linken Malleolus lateralis (Stadium Wagner 1, Armstrong B). Weitere Ulcera finden sich nicht. Der Wundabstrich zeigt eine Mischflora. Differenzialdiagnostisch wird neben einem diabetischen Fußsyndrom auch ein arterielles Ulcus cruris diagnostiziert.

Die Duplexsonografie der Beinarterien ergibt allerdings keinen Hinweis für eine PAVK, und röntgenologisch kann eine Osteomyelitis ausgeschlossen werden. Auch Auto-AK i. S. einer Vaskulitis sind nicht nachweisbar. Histologisch zeigt sich eine perivaskuläre Lymphozyteninfiltration mit Schwellung der Gefäßendothelzellen ohne Fibrinablagerungen oder Zeichen einer Vaskulitis.

„Somit bleibt als Ursache nur das Medikament Hydroxyurea, bei dem solche Ulcera als typische Nebenwirkung bekannt sind“, so Dr. Jan-Peter Linke von der internistischen Abteilung des Herz-Jesu-Krankenhauses in Fulda.

Dermatologische Komplikationen bei Hydroxyurea-Intoleranz

Die Hydroxyurea-Intoleranz ist dosisunabhängig und manifestiert sich nicht nur, aber häufig an der Haut. Nicht selten tritt sie erst als Spätfolge einer solchen Therapie auf. Betroffen sind ca. 50% der mit dieser Substanz behandelten Patienten. Das Spektrum der Hauttoxizitäten umfasst schwerwiegende Veränderungen wie Beinulzerationen, Plattenepithelkarzinome, Aktinische Keratosen und Mundschleimhautulzerationen. Dazu kommen harmlose Krankheitsbilder wie Alopezie, Hyperpigmentierungen, Pseudodermatomyositis, Xerosen, Nagelveränderungen und Lichen-planus-ähnliche Hauteruptionen.

Die Häufigkeit einer Beinulzeration unter Hydroxyurea liegt bei ca. 5%, die von Mundschleimhautulzerationen bei ca. 2%. Die Beinulzerationen sind meist im Knöchelbereich oder im Bereich der Achillessehne, also der Ferse lokalisiert und können äußerst schmerzhaft sein. Klinisch imponieren erythematöse Läsionen mit abschilfernden, atrophen Hautschichten. Das Gesamtbild gleicht mitunter einem Lichen planus.

Die Veränderungen dürften Folge einer Mikrozirkulationsstörung sein. Auch wird ein zytotoxischer Effekt auf die Keratinozyten diskutiert. Bei Auftreten einer solchen dermatologischen Komplikation muss Hydroxyurea abgesetzt oder zumindest in der Dosis reduziert werden. Als supportive Therapiemaßnahmen empfehlen sich medizinischer Honig und eine hyperbare Sauerstofftherapie.