_ Zu diesem Ergebnis kam eine Arbeitsgruppe spanischer, dänischer, schwedischer, norwegischer und deutscher Forscher, geleitet von Iris Maas von der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Die Wissenschaftler bedienten sich dabei der Mittel der Zwillingsforschung, wobei sie zunächst die Tinnituskonkordanz — die Wahrscheinlichkeit für Tinnitus eines Zwillings, falls der andere erkrankt ist — bei mehr als 10.000 ein- und zweieiigen Zwillingspaaren verglichen. Die Tinnitusprävalenz im Gesamtkollektiv lag bei 14,9%, ein Anteil, der jenem in der Allgemeinpopulation entspricht.

Insgesamt lag die Tinnituskonkordanz bei monozygoten Zwillingen höher als bei dizygoten, nämlich bei 32% vs. 20%. Signifikant war der Unterschied nur für bilateralen Tinnitus (49% vs. 30%), nicht aber für unilaterale Ohrgeräusche (25% vs. 19%).

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Zwillinge teilen vieles, oft auch das Ohrgeräusch.

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Hoher Grad von Erblichkeit

Anschließend gingen Maas und Kollegen daran, aus den Merkmalsvarianzen zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen den Grad der Erblichkeit von Tinnitus abzuschätzen. Dazu gaben sie das Maß an, in dem sich die Varianz des phänotypischen Merkmals aus den Genen im Vergleich zum Einfluss der Umwelt erklären lässt. Grob gesprochen errechnet sich dieses Maß als Quotient aus genetischer zu phänotypischer Varianz. Haben die Gene keinen Einfluss, liegt dieser Wert bei 0. Sind die Gene allein verantwortlich, resultiert ein Wert von 1.

Im Mittel ergab sich für die Erblichkeit von Tinnitus ein Wert von 0,43. Das liegt in der Größenordnung anderer komplexer Erkrankungen, die mit dem ZNS in Verbindung stehen, wie Depressionen, Parkinson- oder Alzheimerkrankheit. Auch hier war der Zusammenhang mit bilateralem Tinnitus stärker ausgeprägt als für unilaterale Ohrgeräusche.

Die Gene sind laut dieser Ergebnisse zwar nicht allein, aber doch in gewichtiger Form an der Tinnitusentwicklung beteiligt, besonders mit Blick auf bilaterales Auftreten. „Die genetische Prädisposition scheint demnach für die Entwicklung bestimmter Tinnitusformen wichtig zu sein, während nicht-genetische Faktoren bestimmen, ob sich die Disposition zum Tinnitus auswächst“, schreiben Maas und Mitarbeiter.