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Eindrückbare Schwellungen im Bereich der Lippen (zwei Fotos vom selben Arztbesuch).

© C. Raschka

_ Ein 44-jähriger Patient (185 cm, 125 kg) leidet seit vielen Jahren an optisch sehr auffälligen, anfallsartig auftretenden, eindrückbaren Schwellungen im Bereich der Lippen. Die Veränderungen sind für den Mann nicht nur kosmetisch und funktionell störend, sondern zeitweise auch schmerzhaft. An weiteren Befunden bestehen bei dem adipösen Patienten (Body-Mass-Index: 36 kg/m2) ein Diabetes mellitus, eine Steatosis hepatis sowie eine Struma nodosa.

Bei der Lippenschwellung handelt es sich um ein Melkersson-Rosenthal-Syndrom, eine idiopathische granulomatöse Entzündung. Die Krankheit manifestiert sich meist im jüngeren Erwachsenenalter zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr, wobei das weibliche Geschlecht häufiger betroffen ist. Der Verlauf ist protrahiert, chronisch und schubweise.

Die infolge vergrößerter Lippenspeicheldrüsen geschwollenen Lippen sind eines der typischen Zeichen. Auch Augenlider, Wangen, Gaumen, Zahnfleisch und Stirn sowie das Gesäß können betroffen sein. An der Mundschleimhaut erscheinen die Schwellungen wie Aphthen. Als zweites Symptom tritt bei etwa 10% der Patienten anfallsartig eine periphere Fazialislähmung auf, wenn der N. facialis in seinem Kanal anschwillt. Das dritte typische Symptom ist die Lingua plicata, eine stark gefurchte Zunge, die in 54% der Fälle zu sehen ist.

Die klassische Trias ist jedoch eher eine Rarität. In der Regel ist der Verlauf wie bei unserem Patienten monosymptomatisch als Cheilitis granulomatosa. Die Diagnose lässt sich bioptisch sichern. Spontanremissionen sind häufig, ebenso aber auch Rezidive. Im Krankheitsverlauf kann das Gewebe zunehmen, was sich dann nicht mehr zurückbildet.

Begleitend können sich ein Morbus Crohn oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten entwickeln, wovon unser Patient bisher verschont blieb. Außerdem können Migräne, Parästhesien im Schwellungsbereich und an den Akren, Juckreiz, Störungen der Tränen-, Nasen- und Speichelsekretion, Hautrötungen, Übelkeit, Schwindel, faziale Schwitzanfälle, ein Hitze- oder Globusgefühl oder akustische Sensationen auftreten.

Eine kausale Therapie gibt es nicht. Zur symptomatischen Therapie werden nicht-steroidale Antirheumatika und topische oder systemische Glukokortikoide appliziert, aber auch Immunsuppresiva. Unser Patient wird mit Prednisolon 10 mg/d therapiert. Persistieren die Schwellungen, besteht auch die Möglichkeit einer Lippenreduktionsplastik.