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Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) wird es ab 1. April 2017 keine Impfstoffausschreibungen mehr geben. Was das für impfende Ärzte bedeutet, haben wir den Allgemeinmediziner Prof. Klaus Wahle aus Münster gefragt.
MMW: Inwiefern wird durch das Ende der Impfstoffausschreibungen die Versorgung der GKV-Patienten gestärkt?
Wahle: Die Impfstoffausschreibung ist für die Patientenversorgung immer ein großes Problem gewesen: Erstens, weil eine wirklich individualisierte präventive Behandlung damit nicht mehr möglich war, sondern nur mit Impfstoffen, die die Ausschreibung gewonnen hatten, also mit den preisgünstigsten. Zweitens haben wir erlebt, dass Influenzaimpfstoffe dadurch, dass es nur ein oder zwei Hersteller gab, knapp wurden bzw. gar nicht mehr zur Verfügung standen.
MMW: Mit dem Ende der Ausschreibungen wird die Liefersituation für Impfstoffe in Zukunft also besser?
Wahle: Ja, mit Sicherheit. Wenn ein Unternehmen eine Ausschreibung nicht gewinnt, wird es auch keinen Impfstoff produzieren. Dann ist es auch nicht möglich, knapp werdende Impfstoffe in kürzester Zeit durch andere Unternehmen produzieren und ausliefern zu lassen. Jetzt haben die Firmen wieder eine Chance, am Markt abzuschätzen — z. B. durch Befragung von niedergelassenen Ärzten –, wie viele Impfstoffe in der kommenden Saison benötigt werden, und können früh mit der Produktion beginnen. Das dient der Versorgungssicherheit.
MMW: Kann der Arzt künftig frei über den geeigneten Impfstoff entscheiden?
Wahle: Mit der Entscheidung, das Ausschreibungsverfahren aufzugeben, ist im Prinzip der Arzt bei der Anforderung der Impfstoffe über seinen Sprechstundenbedarf zunächst einmal frei.
MMW: Die Ausschreibungspraxis war speziell im Hinblick auf die Grippeimpfung kritisiert worden. Erwarten Sie hier auch Verbesserungen?
Wahle: Ich gehe davon aus, dass jetzt wieder mehrere Unternehmen mit verschiedenen Influenzaimpfstoffen zum Zuge kommen, sodass sich die Versorgung stabilisieren wird. Überdies können Ärzte jetzt wieder für unterschiedliche Patientenbedürfnisse unterschiedliche Impfstoffe bestellen und applizieren. Das war durch das Ausschreibungsverfahren völlig abhandengekommen.
MMW: Wird die Neuregelung auch die Grippeimpfquoten verbessern?
Wahle: Wir haben dieses Jahr erlebt, dass der trivalente Impfstoff, der in der Ausschreibung in fast allen Bundesländern ausgegeben wurde, nur eine Effektivität von 48% besaß. Da tue ich mich als Impfarzt schwer, diesen Impfstoff zu empfehlen. Es gibt heute besser wirksame Impfstoffe wie z. B. einen tetravalenten Influenzaimpfstoff oder einen adjuvantierten Influenzaimpfstoff für das nachlassende Immunsystem. Insofern glaube ich, dass wir die Grippeimpfung künftig mit weit mehr Überzeugung den Patienten individualisiert empfehlen können. Das dürfte sich in der Impfquote niederschlagen.
MMW: Gehen Sie davon aus, dass der Vierfach-Grippeimpfstoff jetzt stärker zum Einsatz kommen wird?
Wahle: Ich hoffe, dass er überhaupt erst einmal zum Zuge kommen wird. In der letzten und vorletzten Influenzasaison haben wir erlebt, dass die zirkulierende Influenza-B-Linie durch den trivalenten Impfstoff nicht abgedeckt war. Das war einer der wesentlichen Gründe für die geringere Effektivität der Grippeimpfung. Mit dem tetravalenten Impfstoff, der beide B-Linien enthält, wären etwa 20% zusätzlicher Abdeckung möglich gewesen.
MMW: Rechtfertigt das die höheren Ausgaben für tetravalente Impfstoffe?
Wahle: In jedem Fall. Wenn der tetravalente Impfstoff eine größere Effektivität von 20% zusätzlicher Abdeckung besitzt, ist er unterm Strich wirtschaftlicher. Ich glaube, dass die tetravalenten Vakzinen die Zukunft der Influenzaimpfstoffe sein werden.Wenn man sich dahingehend einigt, dass es zu Grippeimpfstoffen kein Regressverfahren geben wird, wäre das der Impfstoff für nahezu alle Patienten.
Interview: Dr. Beate Schumacher
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Springer Medizin. Ärzte können wieder individualisiert impfen. MMW - Fortschritte der Medizin 159, 20 (2017). https://doi.org/10.1007/s15006-017-9459-y
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