_ Die Zeiten ändern sich und mit ihnen ändern sich auch die Chirurgen. Die Zeit der „großen“ Schnitte als Qualitätsindikator für „große“ Chirurgen ist vorbei, so das Fazit des Deutschen Chirurgenkongresses. Klein und fein ist angesagt, so als hätte der Internist den Eingriff durchgeführt. Auch wurde in den letzten Jahren in der Chirurgie allmählich das Primat des Handelns ersetzt durch das Primat des Denkens. Dies ist bei den Internisten schon lange Standard, z. B. wenn sie noch über EKG-Veränderungen diskutieren, obwohl der Patient bereits tot ist. Somit ist den Chirurgen die akademische Emanzipation durchaus gelungen. Die Zeit ist vorbei, als der Internist dem Chirurgen anlässlich eines runden Geburtstags augenzwinkernd das Büchlein mit dem Titel „Die Kunst des klaren Denkens“ schenken konnte und der Chirurg sich bei passender Gelegenheit revanchierte mit dem Buch „Die Kunst des klugen Handelns“.

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Auch die phänotypische Abgrenzung des Chirurgen vom Internisten wird immer schwieriger, nachdem das Tragen einer Krawatte, über Jahrzehnte das Alleinstellungsmerkmal des Internisten, einem legeren Kleidungsstil wie ihn die Chirurgen bevorzugen, gewichen ist. Auch die Regelung, dass der Chirurg immer mitten durch den Gang stolzieren dürfe, während der Internist sich an der Wand entlang schleichen müsse, gibt es nicht mehr. Folgen sind vermehrt auftretende Kollisionen, was der viel gepriesenen interdisziplinären Zusammenarbeit sicherlich nicht förderlich ist.

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Doch in einer konkreten Situation können Chirurg und Internist ihre ursprüngliche professionelle Prägung nicht überspielen, nämlich wenn es darum geht, die Lichtschranke an der Aufzugstür zu unterbrechen. Chirurgen setzen dabei weiterhin den Kopf ein, die Internisten nehmen die gefalteten Hände. Ein Schelm, wer böses dabei denkt!