_ Das deutsche Gesundheitssystem kann für Patienten mit akuten Beschwerden verwirrend sein — vor allem außerhalb der gängigen Öffnungszeiten. Sollen sie eine Bereitschaftspraxis suchen? Was ist der Unterschied zu einer Notfallpraxis in der Klinik? Kann man einfach so in die Notaufnahme? Sollte man lieber gleich 112 wählen? Das Ergebnis ist Verunsicherung — und nicht selten ein bürokratischer Aufwand, und viel Stirnrunzeln, wenn der Patient den „falschen“ Pfad gewählt hat.

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Ein geschultes Team in einem Callcenter wie diesem soll die Patienten durch den Versorgungsdschungel lotsen.

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Vor diesem Hintergrund erprobt das Ärztenetz „Gesundheitsorganisation Region Ingolstadt“ (GO IN) nun ein telefonisches Triage-System bei Notfällen. Bis Mitte Juni 2017 wollen die 430 Ärzte von GO IN und die vom Landesgesundheitsministerium geförderte Bayerische TelemedAllianz (BTA) herausfinden, ob die Patienten das System akzeptieren — und ob es damit gelingt, die Notaufnahmen und die ärztlichen Bereitschaftsdienste zu entlasten.

Beratung gemäß den Beschwerden

Patienten, die sich an dem Pilotprojekt GOINakut beteiligen, können sich rund um die Uhr an ein medizinisches Expertenteam des Unternehmens Allianz Worldwide Partners (AWP) wenden, einem Tochterunternehmen des Versicherers Allianz. Die Mitarbeiter beraten die Patienten darüber, wie sie am besten weiter versorgt werden.

Danach sind sie in der Lage einzuschätzen, ob sie mit ihren Beschwerden eine Klinikambulanz oder eine Bereitschaftspraxis besuchen müssen, am nächsten Tag zum Haus- oder Facharzt gehen können — oder ob vielleicht ein Hausmittel reicht. Die Ausnahme sind lebensbedrohliche Notfälle, bei denen die Patienten weiterhin den Rettungsdienst benachrichtigen sollen.

„Mit der telefonischen Beratung im Rahmen von GOINakut möchten wir unseren Patienten das sichere Gefühl geben, dass sie sich mit ihren Beschwerden jederzeit an einen kompetenten Ansprechpartner wenden können“, sagt Prof. Siegfried Jedamzik, Vorstand von GO IN und BTA-Geschäftsführer.

Die Beratung übernimmt ein Team aus rund 50 Mitarbeitern in Aschheim bei München, unter ihnen neun Ärzte. Für die Entscheidung über die nächsten Versorgungsschritte nutzen sie einen wissenschaftlich validierten Fragebogen. Die Hoffnung ist, dass durch die Triage die Fehl-Inanspruchnahme der Notfalleinrichtungen reduziert wird und damit die Kosten sinken. Erfahrungen aus Großbritannien, Dänemark und der Schweiz zeigen, dass solche Systeme funktionieren.

Patienten willigen schriftlich ein

Die GO-IN-Patienten, die sich für das Projekt interessieren, müssen schriftlich in die Teilnahme einwilligen und sich dann online, schriftlich oder per App registrieren. Die Erprobung läuft bis zum 12. Juni 2017. Dann wird entschieden, ob die Telefon-Triage fortgesetzt wird und als Blaupause für weitere Regionen dienen kann.