Das Hospiz- und Palliativgesetz von 2015 sollte die Begleitung der Sterbenden deutlich verbessern — setzte dabei aber vor allem auf Ehrenamtliche. Nach wie vor ist die Situation zutiefst ungerecht.
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_ Jährlich sterben hierzulande rund 925.000 Menschen. Vier Fünftel wünschen sich einen Tod zu Hause oder im Hospiz. Doch in der Realität ist es genau umgekehrt: Der allergrößte Teil stirbt im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Diese Tendenz hat sich in den letzten 20 Jahren verstärkt. Lediglich 30.000 Schwerstkranke haben heute die Chance, in einem stationären Hospiz zu sterben. Hier werden sie rund um die Uhr von spezialisierten Pflegekräften, niedergelassenen Palliativärzten und ehrenamtlichen Hospizhelfern umsorgt.
Dagegen erleben 430.000 Patienten ihre letzten Tage im Krankenhaus — und davon sterben gerade einmal 17.000 auf einer Palliativstation. Für die übrigen 96% gibt es keine Gewähr, dass ihnen in den Sterbestunden eine Fachkraft zur Seite steht. Gerade zur Nachtzeit kümmert sich ein Pfleger im Krankenhaus nicht selten um mehr als 25 Patienten. Eine würdevolle Begleitung ist so nicht möglich. Noch dramatischer ist die Situation für die jährlich 345.000 Sterbenden in Pflegeheimen, wo die Anzahl von Bewohnern pro Pflegekraft häufig noch ungünstiger ist. Hospizarbeit zu erfahren und an der Hand eines Menschen zu sterben ist für die meisten Heimbewohner daher reine Illusion.
Zudem gibt es noch immer keine finanzielle Gleichstellung der Sterbenden in Pflegeheimen, die palliative und hospizliche Begleitung benötigen. Während für die wenigen Sterbenden in Hospizen von den Sozialkassen monatlich rund 8.300 Euro pro Person aufgewendet werden, gibt es im Pflegeheim höchstens 2.005 Euro. Das ist zutiefst ungerecht. Auch für Pflegeheimbewohner muss es endlich einen Anspruch auf Hospizleistungen geben — zumal die Sterbebegleitung zum Versorgungsauftrag der Pflegeheime gehört.
Mit dem Ende 2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz setzt der Gesetzgeber darauf, viele Lücken durch Ehrenamtliche zu schließen. Wie das mit rund 40.000 freiwilligen Helfern möglich sein soll, hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe aber nie erklärt. Aktuell leisten sie bereits 50.000 Sterbebegleitungen im Jahr. Das ist eine wertvolle Hilfe. So wird aber nur jeder zwanzigste Sterbende und dessen Angehörige erreicht.
Hunderttausende Ehrenamtliche?
Es ist gut, dass ehrenamtliche Hospizdienste jetzt bis zu 2.100 Euro je Sterbebegleitung erhalten. Mehr Menschen werden dadurch aber leider nicht erreicht. Bund und Länder müssen sich daher der Realität stellen. Denn es ist unmöglich, weitere hunderttausende Ehrenamtliche aus dem Hut zu zaubern, um den gesamten Bedarf zu decken.
Deshalb braucht Deutschland dringend mehr professionelle und mobile Palliativteams. In den letzten zehn Jahren ist hier ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Heute leisten die Palliativteams knapp 50.000 Sterbebegleitungen. Doch bisher gibt es kein wirksames Konzept, jedem Sterbenden die Fürsorge zu garantieren, die er benötigt.
Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass 60% der Sterbenden in einem Industrieland eine palliative Versorgung benötigen. In Deutschland wären das eine halbe Million Menschen. Die neue Regierung muss die palliative und hospizliche Versorgung für diese große Zahl an Betroffenen sichern. Ein verbindlicher Fahrplan für die nächsten zehn Jahre ist notwendig.
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Der Autor ist Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz für Schwerstkranke, Pflegebedürftige und Sterbende
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Brysch, E. Beim Sterben lassen wir zu viele Menschen allein. MMW - Fortschritte der Medizin 159, 36 (2017). https://doi.org/10.1007/s15006-017-0264-4
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