Avoid common mistakes on your manuscript.
? Dr. Otto Steffens, Aurich: Ich betreue mehrere Patienten mit chronischen Leistenschmerzen nach Leistenherniotomien. Laut Literatur betrifft das 10% der Patienten.
Bei einem 30-jährigen, bisher gesunden Patienten ist es besonders schlimm. Er wurde wegen eines linksseiten Leistenbruchs mit mäßigen Beschwerden eingewiesen. Im Krankenhaus diagnostizierte man auch einen rechtsseitgen Bruch und operierte (wohl leitliniengerecht) beidseitig laparaskopisch mit Netzimplantation. Seitdem hat er zunehmende, belastungsabhängige Leistenschmerzen auf beiden Seiten. Die Chirurgen raten zur Vorstellung beim Schmerztherapeuten. Mit täglich 2 × 75 mg Pregabalin und 2 × 100 mg Tilidin retard sowie 1–4 g Metamizol ist der Schmerz deutlich reduziert, aber nicht verschwunden. Zusätzlich leidet der Patient unter Nebenwirkungen, es treten auch berufliche Probleme (Fahrtüchtigkeit, geringere Belastbarkeit beim Heben) und neuerdings auch erektile Dysfunktion auf. Er überlegt, wegen des Schmerzes seine Arbeit aufzugeben und wieder zu studieren.
Ist ein erneutes operatives Vorgehen, ggf. mit Durchtrennung der vermutlich schmerzauslösenden Inguinalnerven, sinnvoll? Welche Alternativen gibt es für den Patienten?
! MMW-Experte Stiefelhagen: Leistenschmerzen nach einer Herniotomie sind nich selten. Betroffen sind über 10% der operierten Patienten. Meist handelt es sich um einen chronischen Schmerz, der auch nach Jahren nicht abklingt. Besonders häufig sind solche Schmerzen, wenn großflächige Kunststoffnetze verwendet wurden. Auch die intraoperative Präparation des Nervus ilioinguinalis führt häufiger zu einem chronischen Schmerzsyndrom. Da es sich um einen neuropathischen Schmerz handelt, sollte primär medikamentös mit Pregabalin und/oder Antidepressiva behandelt werden. Führt das nicht zum Erfolg und besteht ein großer Leidensdruck, ist als Ultima Ratio die Neurekto-mie der Erwägung wert.
! MMW-Experte Füeßl: Es trifft zu, dass auch nach laparaskopisch und mit Netzimplantation durchgeführten Herniotomien bei etwa 10% der Patienten postoperative Schmerzen im Bereich von Leiste und Hoden auftreten. Besonders unangenehm ist das Phänomen der schmerzhaften Ejakulation, was bei manchen Männern dazu führt, die sexuelle Aktivität komplett einzustellen.
In einer prospektiven Studie aus Dänemark aus dem Jahr 2010 berichteten 55 von 442 operierten Patienten (12,4%) sechs Monate nach der Operation über anhaltende mäßige bis schwere Schmerzen im Bereich von Leiste und Skrotum bzw. Hoden. Dabei spielten sowohl patientenspezifische als auch operationstechnische Faktoren eine Rolle. Kein Wunder, dass entsprechende Internet-Foren voll sind mit Klagen von Betroffenen. 2009 wurde sogar im „Spiegel“ ein großer Artikel zu diesem Problem publiziert.
Weil Nervenverletzungen während der Operation mitunter nicht genügend beachtet werden — und manchmal wohl auch unvermeidlich sind —, sollte man die Operation nur durchführen, wenn sie wirklich nötig ist. Sind die Schmerzen erst einmal da, so sind sie schwer zu beheben. Die Schmerztherapie mit Pregabalin und stark wirksamen Analgetika kann zwar wirksam sein, beseitigt aber das Problem nicht.
Von einer erneuten Operation mit einer selektiven Neurektomie und einer Entfernung des Netzes würde ich abraten, da der Erfolg dieser Maßnahme leider nicht vorhersehbar ist und das Problem oft verschlimmert. Ich würde dem Patienten empfehlen, sich in die Hände eines erfahrenen Schmerztherapeuten zu begeben.
Author information
Consortia
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Springer Medizin. Leistenschmerz wirft Leben aus der Bahn. MMW - Fortschritte der Medizin 159, 24 (2017). https://doi.org/10.1007/s15006-017-0252-8
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s15006-017-0252-8