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Menschen mit weniger Geld und geringerer Bildung müssen im Fall einer Krebserkrankung mit einem ungünstigeren Verlauf rechnen. Wir sprachen über die möglichen Gründe mit Markus Besseler, dem Leiter der Beratungsstelle der Bayerischen Krebsgesellschaft.
MMW: Glaubt man Studien auch aus Deutschland, haben sozial schwächere Krebspatienten eine schlechtere Prognose als bessergestellte. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Bessesler: Zu uns kommen viele Menschen aus sozial schwächeren Schichten. Insofern ist uns das Thema sehr vertraut, dass sozialer Status und Bildungsniveau auf den Krankheitsverlauf Einfluss nehmen. Wir stellen immer wieder fest, dass sich Menschen aus sozial schwächeren Schichten mit ihrer Krankheit weniger detailliert befassen als solche aus höheren Bildungsschichten, weil ihnen oft die Möglichkeiten dazu fehlen. Viele haben so eine Art Urvertrauen, dass, wenn man sich dem Arzt anvertraut, alles Nötige gemacht wird. Menschen mit höherem Bildungsniveau zweifeln das eher an.
MMW: Haben Sie den Eindruck, dass die Krebstherapie für sozial schwächere Patienten qualitativ schlechter ist?
Bessesler: Das kann ich aus der Praxis so nicht bestätigen. Fakt ist aber, dass das Thema Geld die Behandlung beeinflusst. Wer finanziell bessergestellt ist, hat mehr Möglichkeiten, zusätzliche Leistungen, die über die normale Versorgung hinausgehen, in Anspruch zu nehmen. Das fängt mit der Art der Krankenversicherung an. Wenn ich privat versichert bin, habe ich viel mehr Optionen, was etwa Klinikwahl oder Chefarztbehandlung betrifft. Ein Hartz-IV-Empfänger oder Arbeitsloser hat diese Chancen nicht. Die Versorgung in Deutschland ist nicht einheitlich ausgerichtet. Wer über genug Geld und Bildung verfügt, kann mehr für sich tun.
MMW: Wie könnte man die Aussichten von sozial schwächeren Krebspatienten verbessern?
Bessesler: Das ist insofern ein heikles Thema, als ja Politiker immer sagen, jeder bekomme die bestmögliche Versorgung. Das ist das K.o.-Argument. Die Praxis ist sicher eine andere. Man kann die Patienten letztlich nur bestärken, eine produktiv kritische Haltung beizubehalten und Dinge zu hinterfragen.
MMW: Es heißt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich hierzulande noch tiefer wird. Zeigt sich das in Ihrer Arbeit?
Bessesler: Ja, das nimmt ganz stark Einfluss auf die tägliche Praxis. Wir haben einen Härtefonds für finanziell schlechter gestellte Patienten, für solche, die auch aufgrund ihrer Erkrankung in eine finanzielle Notlage geraten. Hier häufen sich die Anträge aktuell massiv. Klassisches Beispiel ist die alleinerziehende Mutter, die ohnehin schon oft schlechter gestellt ist. Jetzt wird sie krank, die beruflichen Einkünfte fallen aus, aber die Kinder müssen versorgt werden. Derzeit macht sich auch die Zahl der Flüchtlinge stark bemerkbar, die eine Krebsdiagnose erhalten oder mitgebracht haben und sich behandeln lassen müssen, aber wenig Geld haben. Auch sie wenden sich an uns.
MMW: Sehen Sie Chancen, dass sich diese Probleme in absehbarer Zeit zum Besseren wenden lassen?
Bessesler: Mein Eindruck ist eher, dass sich die Lage weiter verschärfen wird. Wir haben nun mal eine Zwei-Klassen-Medizin. Eine Bürgerversicherung könnte vielleicht einiges verbessern, ein Allheilmittel wäre sie vermutlich auch nicht. Letztlich kommt es auch auf die Person als solche an. Was ich von Krebspatienten gelernt habe, ist, dass der Glaube an sich selbst, der ungebrochene Lebenswille, auch mit bleibenden gesundheitlichen Einschränkungen leben zu lernen, einen Nutzen für das Überleben und die Lebensqualität haben.
„Die Lage wird sich wohl weiter verschärfen.“
Interview: Dr. Robert Bublak
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Springer Medizin. Werden ärmere Krebspatienten schlechter behandelt?. MMW - Fortschritte der Medizin 159 (Suppl 3), 10 (2017). https://doi.org/10.1007/s15006-017-0203-4
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