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Univ.-Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert

_ Die Bedingungen, unter denen man eine Berufslizenz als Heilpraktiker erlangen kann, sind absurd minimalistisch. In groteskem Kontrast zu der vieljährigen Aus- und Weiterbildung von Ärzten benötigen Heilpraktiker gegenwärtig keinerlei geregelte Ausbildung, ja nicht einmal Erfahrung mit Patienten. Zwar besuchen die meisten eine der vielen privaten Schulen, aber für die Zulassung genügt eine einzige Prüfung, in der sie beweisen sollen, dass sie keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Angesichts der Komplexität der modernen Medizin und des damit einhergehenden Fehlerpotenzials ist das unverantwortlich.

Der zweite wichtige Punkt: Heilpraktiker arbeiten im Rahmen einer glaubensorientierten Gegenwelt zur wissenschaftsorientierten Medizin. Viele von ihnen postulieren für ihre alternativ-„medizinischen“ Verfahren kausale Wirkungsmechanismen — z. B. das Potenzierungsprinzip der Homöopathie —, die mit fundamentalen wissenschaftlichen Grundprinzipien schlicht nicht unter einen Hut passen. Viele lehnen die etablierten Maßstäbe klinischer Wirksamkeitsstudien kategorisch ab; andere interpretieren vorhandene Studiendaten eklatant gegen den Strich der Wissenschaftsgemeinschaft — zugunsten ihrer eigenen Erklärungsmodelle.

Angesichts dieser Sachverhalte ist aus medizinethischer Sicht eine heikle Gratwanderung zu leisten: Einerseits hat jeder Patient das Recht, auf Wunderglauben und damit auf reine Placebomedizin zu setzen; andererseits befördert die Anerkennung der Parallelwelt eine fundamentale Wissenschaftsskepsis, die moderne Gesellschaften auch in anderen Bereichen teuer zu stehen kommen kann. Man denke an Impfgegner und Klimawandel-Leugner.

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Sie hat einen Wochenendkurs gemacht.

© humonia / Getty Images / iStock

Zwei alternative Vorschläge zur Handhabung der Probleme

Die staatliche Nobilitierung von Anti-Wissenschaftlichkeit durch alternativ-„medizinische“ Sonderzulassungen, Berufslizenzen und teilweise sogar Finanzierung durch die Krankenkassen ist uns daher ein Dorn im Auge. Das betrifft natürlich auch Ärzte, die Alternativ-„Medizin“ betreiben.

Der Heilpraktikerberuf sollte deswegen entweder gänzlich abgeschafft oder radikal reformiert werden. Wir machen den Vorschlag, eine Heilpraktiker-Zulassung künftig nur als Zusatzqualifikation für bestehende Gesundheits-Fachberufe zu erteilen. Diese Therapeuten würden nur Verfahren anwenden, die wissenschaftlich fundiert sind. Reine Esoterik wie Irisdiagnostik oder Anthroposophie würden landen, wo sie hingehören: bei den Heilern. Ob diese Vorschläge umgesetzt werden, ist jetzt Sache der Politik.

In jedem Fall aber ist uns wichtig, dass auch die Defizite vieler „Schulmediziner“ angegangen werden. Sie müssen unbedingt wieder mehr Wert aufs Zuhören, Anteilnehmen und eine ganzheitliche Versorgung ihrer Patienten legen. Behandlungen müssen verlässlich allein den Maßstäben der Patientendienlichkeit folgen. Der Status quo wird indes vielfach kritisiert, auch in Zuschriften, die uns erreichen. Hier dürfte eine der Ursachen für die Attraktivität von Heilpraktikern liegen.