_ In einem komplexen Wechselspiel, an dem verschiedene Mechanismen beteiligt sind, versucht der Organismus, die Blutglukose auf einem Wert zwischen 3,9 und 5,5 mmol/l (70–99 mg/dl) konstant zu halten. „Sinkt der Wert darunter, kommt es zunächst zu autonomen und schließlich zu neuroglykopenischen Symptomen“, so Dr. Christof Kloos, Medizinische Universitätsklinik Jena. Die autonomen Symptome wie Schwitzen, Tachykardie und Tremor werden durch eine Aktivierung des Sympathikus induziert, bevor die Glykopenie zu kognitiven Beeinträchtigungen mit Verwirrtheit, Seh- und Sprachstörungen bzw. zu Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma führt. Auf hormoneller Ebene wird die endogene Insulinproduktion supprimiert, vermehrt Glukagon und Adrenalin freigesetzt und darüber die intrahepatische Glukoneogenese stimuliert und die periphere Glukoseaufnahme gehemmt.

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Mit dem Alter steigt das Hypogklykämierisiko.

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Ab wann wird’s gefährlich?

Eine einheitliche Definition der Hypoglykämie gibt es bisher nicht. „Auch ist die Schwelle, ab wann niedriger Blutzuckerwert potenziell schädlich ist, individuell sehr unterschiedlich“, so Kloos. Bei einer vorhergehenden Hypoglykämie ist sie niedriger, bei einer chronischen Hyperglykämie höher. Im Allgemeinen liegt der Blutzucker bei einer symptomatischen Hypoglykämie unter 3,1 mmol/l (< 56 mg/dl). In Studien und auch im Praxisalltag unterscheidet man zwischen leichten und schweren Hypoglykämien. „Wenn eine Hilfe durch eine andere Person notwendig ist, liegt immer eine schwere Hypoglykämie vor“, so Kloos. Sie erfordert die i.v. Gabe von Glukose bzw. die i.m. oder s.c. Applikation von Glukagon. Bei einer milden Hypoglykämie kann sich der Patient selbst durch Aufnahme von Kohlenhydraten therapieren.

Welche Risikofaktoren?

Als Risikofaktoren für eine Hypoglykämie gelten symptomatische Hypoglykämien in der Vorgeschichte, chronische Niereninsuffizienz, Demenz bzw. kognitive Störungen, höheres Alter, Diabetesdauer über zehn Jahre, niedriger BMI (< 22 kg/m2), autonome Neuropathie bzw. Gastroparese, Polypharmazie, Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung und unzureichende Diabetesschulung.

Daten aus der Versorgungsforschung

Aus Abrechnungsdaten von AOK-Versicherten mit Typ-2-Diabetes wurde die Inzidenz schwerer Hypoglykämien unter Berücksichtigung der antihyperglykämischen Therapie erfasst. Dabei zeigte sich eine leichte Zunahme der Inzidenz von 0,004% im Jahr 2006 auf 0,005% im Jahr 2011, wobei die Personen mit einer schweren Hypoglykämie 2011 etwas älter waren und häufiger eine Nephropathie hatten als 2006. Unter Sulfonylharnstoffen, Humaninsulin und Kombinationsinsulin wurden Hypoglykämien seltener dokumentiert, unter Analoginsulinen häufiger, was jedoch nur den Veränderungen bzgl. der Verordnungshäufigkeit geschuldet ist. Die Daten zeigen also, dass das Hypoglykämierisiko nicht nur durch Veränderungen des Verordnungsverhaltens reduziert werden kann. Vielmehr dürften die Ziel-HbA1c-Werte und die sich daraus ergebende Intensität der Glukose-senkenden Therapie eine wichtige Rolle spielen, zumal vorrangig ältere Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion betroffen sind.

Erfolgreiche Schulungen bei Typ-1-Diabetikern

Eine Reihe von Untersuchungen hat gezeigt, dass durch eine strukturierte Schulung das Risiko für eine leichte oder schwere Hypoglykämie bei Typ-1-Diabetikern deutlich gesenkt werden kann. Durch besondere Schulungsprogramme kann auch die Hypoglykämiewahrnehmung verbessert werden. Für Typ-2-Diabetiker, bei denen schwere Hypoglykämien sehr selten auftreten, konnte allerdings bisher nicht belegt werden, dass eine Schulung das Hypoglykämierisiko senkt.