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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, Kardiologische Praxis, München

_ In den Jahren 2008–2013 suchten mehr als 2 Millionen Patienten die Kliniken in Cleveland auf. Darunter befanden sich 58.535 (4,5%) Personen mit einer hypertensiven Krise, also mit einem Blutdruckwert von über 180 mmHg systolisch und/oder 110 mmHg diastolisch, neben dem keine anderweitigen Beschwerden existierten. Der mittlere Blutdruck der Patienten lag bei 183/96 mmHg. 10,2% von ihnen hatten einen systolischen Blutdruck über 200 mmHg, 5,7% einen diastolischen über 120 mmHg.

Nur 426 Patienten (0,7%) blieben in der Klinik, während 58.109 entlassen wurden. Die stationär aufgenommenen Patienten hatten einen um 16/11 mmHg höheren Blutdruck, häufiger Nierenerkrankungen und/oder eine Hypertonie in der Vorgeschichte, nahmen aber die gleiche Zahl von Antihypertensiva ein. Die Analyse einer repräsentativen Stichprobe ergab, dass die Zahl schwerer kardiovaskulärer Komplikationen in den folgenden sechs Monaten bei lediglich 0,9% lag — und zwar sowohl bei Patienten, die in der Klinik blieben, als auch bei solchen, die nach Hause entlassen wurden.

KOMMENTAR

Wenn hohe Blutdruckwerte mit zerebralen, kardialen oder okulären Symptomen und Komplikationen einhergehen, besteht ein seltener, bedrohlicher hypertensiver Notfall, der eine sofortige stationäre Aufnahme verlangt. Hohe Blutdruckwerte bei asymptomatischen Patienten, auch solche über 200 mmHg systolisch und 120 mmHg diastolisch, sind dagegen häufig — aber kaum jemals kurzfristig bedrohlich. Die Vorstellung in Notfallambulanzen führt in der Regel zu stationären Aufnahmen und umfangreicher Diagnostik, laut dieser Studie aber nicht zur Verhinderung von Komplikationen oder zu besseren Ergebnissen. Völlig unbefriedigend ist leider das Langzeitergebnis der Untersuchung: Nach sechs Monaten war der Blutdruck bei 66,6% Patienten, die in der Klinik geblieben waren, und bei 64,6% der Entlassenen schlecht eingestellt.

Die Diagnose „hypertensive Krise“ löst bei Patienten und Ärzten zwar Ängste und Handlungszwänge aus, hat aber kurzfristig eine gute Prognose. Gefordert sind nicht Sofortmaßnahmen, sondern eine geduldige und langfristige Beobachtung und Behandlung des Blutdrucks.