_ Was ist schlimmer für den Diabetiker: Der plötzliche Herztod in 20 Jahren oder ein kontinuierliches mikrovaskuläres Desaster mit Impotenz, Abnahme der Sehkraft, Gangunsicherheit, reduzierter Belastbarkeit und chronischen neuropathischen Schmerzen?

Mit dieser rhetorischen Frage wollte Prof. Dirk Müller-Wieland, Hamburg, ins Gedächtnis rufen, dass mikrovaskuläre Diabeteskomplikationen die Lebensqualität oft über lange Zeit stark beeinträchtigen können. Auch korreliere die Qualität der Blutzuckereinstellung schon mittelfristig mit diesen Komplikationen. Ein Vorteil hinsichtlich makrovaskulärer Komplikationen stelle sich hingegen oft erst langfristig ein.

Müller-Wieland empfahl eine proaktive und keine reaktive Intensivierung der antidiabetischen Therapie. Wenn immer erst dann reagiert werde, wenn die Blutzuckerwerte bereits eine Weile deutlich zu hoch liegen, riskiere der Patient frühzeitig beides — mikro- und makrovaskuläre Katastrophen.

Als Beleg zitierte er eine retrospektive Studie mit 105.477 neu diagnostizierten Typ-2-Diabetikern [Paul SK et al. Cardiovasc Diabetol. 2015;14:100]. Verglichen wurden Patienten, deren HbA1c-Wert in den ersten zwei Jahren konstant über 7,5% lag, mit frühzeitig gut eingestellten Patienten (HbA1c-Wert < 7%). Die Autoren errechneten Risikoerhöhungen von 80% für Herzinfarkte, 50% für Schlaganfälle und 63% für Herzinsuffizienz für jedes Jahr, in dem die notwendige Therapieintensivierung verschlafen wurde.

Vor allem bei relativ jungen Typ-2-Diabetikern sei eine straffe und sichere HbA1c-Kontrolle wichtig. „Ich empfehle Lebensstilmaßnahmen plus Metformin und als nächste Eskalationsstufen DPP-4-Hemmer (z. B. Januvia®) und/oder SGLT-2-Hemmer“, so Müller-Wieland. Mit diesen Medikamenten nimmt der Patient nicht zu und minimiert sein Hypoglykämierisiko.