figure 1

Dr. Dieter Geis

_ Gut gemeint, schlecht gemacht: Seit dem 1. Oktober sollen Patienten, die mindestens drei Medikamente verordnet bekommen haben, von ihrem Arzt einen Medikationsplan erhalten. In diesem Plan werden dann alle verschreibungspflichtigen und frei verkäuflichen Arzneimittel aufgelistet, die ein Patient regelmäßig einnimmt — also auch jene, die von anderen Ärzten verschrieben worden sind, und natürlich solche, die der Patient ohne vorherige Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt in der Apotheke gekauft hat.

Laufende Aktualisierungspflicht

Der Arzt, der den Medikationsplan aufgestellt hat, ist außerdem per Gesetz verpflichtet, dieses Dokument laufend zu aktualisieren — auch wenn er selbst die Medikation gar nicht geändert hat.

Da nur der Hausarzt den ganzen Menschen im Blick hat, wird es in der Regel uns Fachärzte für Allgemeinmedizin treffen: Wir werden für den Medikationsplan verantwortlich sein. Bei Patienten, die in einen Hausarztvertrag eingeschrieben sind, macht dies durchaus Sinn, denn in diesem Fall laufen alle Befunde der anderen Fachärzte sowieso beim Hausarzt zusammen.

Was ist aber mit Patienten, die ungesteuert durch das System geistern? Wie soll der für den Medikationsplan verantwortliche Arzt davon erfahren, dass der Patient bereits bei einem anderen Arzt war? Erwartet der Gesetzgeber allen Ernstes, dass jeder Arzt jeden Patienten einer Befragung unterzieht, welche frei erhältlichen und verschreibungspflichtigen Medikamente er einnimmt? Und was passiert, wenn ein Medikationsplan zwar von einem Kollegen aufgestellt wird, der Patient dort aber längere Zeit nicht mehr vorstellig wird? Wie soll der Plan dann aktuell gehalten werden? Hinzu kommen weitere Probleme, etwa die unterschiedlichen Standards bei der Praxissoftware.

figure 2

So geordnet sollte es möglichst bei jedem Patienten aussehen!

© von Lieres / Fotolia

Das Beispiel Medikationsplan zeigt wieder einmal, wie die Politik versucht, den Bürgern ein perfektes Gesundheitssystem vorzugaukeln, das ihnen jede Art von Eigenverantwortung abnimmt.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich werden wir Ärztinnen und Ärzte unseren Patienten immer die korrekte Einnahme von Medikamenten erklären. Doch dafür braucht es nicht noch mehr Bürokratie. Denn: Nicht jeder Patient, der beispielsweise aufgrund einer Akuterkrankung für begrenzte Zeit drei unterschiedliche Medikamente einnehmen muss, braucht gleich einen Medikationsplan. Bei älteren, multimorbiden Patienten dagegen ist er ein Muss. Hier bindet er allerdings auch einiges an Zeit und Aufwand, wenn die Arzneimittelsicherheit gewährleistet sein soll. Und das hat sich dann auch in der Vergütung niederzuschlagen.

Hausarzt muss Koordinator sein

Solange der Gesetzgeber den Hausarzt aber nicht — wie etwa in den Niederlanden — verpflichtend als erste Anlaufstelle in der Patientenversorgung und als zentralen Koordinator in der Patientensteuerung gesetzlich festschreibt, wird auch der Medikationsplan nur Teil eines großen Stückwerks bleiben. Vernünftig wäre eine Regelung mit dem Hausarzt im Zentrum der Versorgung, die nur jenen Patienten einen Medikationsplan garantiert, die ihn wirklich brauchen, und die Entscheidung darüber dem Hausarzt überlässt. Ich will nicht verschweigen, dass ich diese Möglichkeiten vor allem in Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung sehe.

Statt einer individuellen Betreuung der Patienten durch den Hausarzt bekommen wir jetzt einen Medikationsplan nach dem Gießkannenprinzip, und obendrein mit 08/15-Vergütung. Einmal mehr nur blinder Aktionismus und eine vertane Chance!