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? Dr. Wolfgang Offenberger, Würzburg: Ein 82-jähriger, rüstiger Patient entwickelte nach dem Einsatz einer Hüft-TEP eine ausgeprägte Delirsymptomatik, welche den stationären Aufenthalt um 14 Tage verlängerte. Er nahm vor der Operation keine Sedativa oder andere psychotrope Medikamente und hatte keine Alkoholproblematik. An Vorerkrankungen lagen Vorhofflimmern und eine stabile, kompensierte Herzinsuffizienz vor. Gäbe es sinnvolle diagnostische Maßnahmen, um eine erhöhte Delirgefahr im Vorfeld zu erkennen?
! MMW-Experte Stiefelhagen: Begünstigende oder auslösende Faktoren für ein Delir sind Alter, Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz oder COPD, Alkoholmissbrauch, Medikamente mit zentralnervöser (Begleit-)Wirkung, Hypovolämie, Fieber, Elektrolytstörungen, Blutzuckerentgleisungen — und vieles mehr. Natürlich sollten vor einem elektiven Eingriff Krankheiten und Risikofaktoren optimal behandelt werden. Auslösende Faktoren wie Hypovolämie, Fieber oder Schmerzmitteleinnahme treten aber meist erst im Krankenhaus auf. Hier kann der Hausarzt also nicht viel tun.
Nach Möglichkeit sollten alle Medikamente mit einer anticholinergen Wirkung bereits vor der Aufnahme ins Krankenhaus abgesetzt werden, da pathogenetisch dem Acetylcholinmangel die entscheidende Bedeutung zukommt
! MMW-Experte Füeßl: Das Delir ist mit einer Prävalenz von 30–40% die häufigste Komplikation bei hospitalisierten Patienten über 65 Jahren. Die Risikofaktoren sind zahlreich. Dazu gehören Alter, männliches Geschlecht, vorbestehende demenzielle Erkrankungen, Depression, Immobilität, Exsikkose, Mangelernährung, Hör- oder Sehstörungen, Sturzneigung und verringerte Aktivität. Weitere Risiken sind die Behandlung mit mehreren psychoaktiven Substanzen, eine Polypharmazie mit mehr als sechs Medikamenten, multiple Komorbiditäten, Alkoholabusus, Elektrolytstörungen, insbesondere Hyponatriämie, Hypothyreose, Vitamin-B12-Mangel, Schlaganfall in der Anamnese, Morbus Parkinson, Infektionen, Fraktur oder Trauma. Auch iatrogene Faktoren wie immobilisierende Maßnahmen oder die Anlage eines Blasenkatheters erhöhen das Risiko für ein Delir.
Aus dieser langen Liste finden sich bei einem 82-jährigen Patienten, der eine TEP erhalten soll, sicher mehrere Risikofaktoren für ein postoperativ auftretendes Delir — und zwar unabhängig davon, ob in der Praxis eine formelle psychopathologische Beurteilung samt Demenztest durchgeführt wurde. Ein vorbestehendes demenzielles Syndrom ist ja nur eines der Risiken.
Delirien können auch bei vorher klinisch unauffälligen und körperlich aktiven alten Patienten auftreten, sodass sich eine Warnung des Hausarztes auf dem Einweisungsschein eigentlich erübrigt. Nicht umsonst gibt es in der ICD-Klassifikation das Delir ohne Demenz. Das Gehirn des alten Menschen ist vulnerabel, und oft bringen wenige Tropfen das Fass zum Überlaufen.
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Springer Medizin. Kann man Delir-Kandidaten früh identifizieren?. MMW - Fortschritte der Medizin 158, 24 (2016). https://doi.org/10.1007/s15006-016-8756-1
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