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Die nicht-invasive elektrische Stimulation, bei der ein schwacher elektrischer Strom auf das Gehirn wirkt, wurde bislang zur Behandlung von Schmerzen oder Depressionen eingesetzt. Es gibt Hinweise darauf, dass mit der Methode auch die Gedächtnisleistung verbessert werden kann. Prof. Agnes Flöel hat die Wirkung der oszillierenden Stimulation jetzt bei älteren Menschen während des Schlafes untersucht.
MMW: Sie haben bei Senioren während des Mittagsschlafs eine transkranielle elektrische Stimulation durchgeführt. Haben Studienteilnehmer unter Strom besser geschlafen?
Flöel: Im EEG führte die Stimulation zu einer Verstärkung der sogenannten Schlafspindeln, was für einen tieferen und damit möglicherweise erholsameren Schlaf spricht. Durch die oszillierende Stimulation werden endogene, also im Gehirn der Probanden bereits natürlicherweise auftretende Hirnwellen, intensiviert. In diesem Fall haben wir eine sehr niedrige Frequenz verwandt, wie sie auch im Tiefschlaf anzutreffen ist, um genau die tiefen Schlafstadien zu verstärken.
MMW: Auch die Gedächtnisfunktion, genauer gesagt die Konsolidierung nach dem Schlafen, war bei Probanden mit Stimulation besser als in der Kontrollgruppe. Handelt es sich hier um einen direkten oder um einen indirekten Effekt über den tieferen Schlaf?
Flöel: Die Idee hinter der Schlafstimulation, basierend auf tier- und humanexperimentellen Studien, ist tatsächlich, dass durch die Verstärkung der endogenen Hirnwellen der Tiefschlaf intensiviert wird. Man weiß relativ sicher, dass die schlafabhängige Konsolidierung bestimmter Gedächtnisinhalte besonders gut gelingt, wenn ausreichend Tiefschlafphasen vorhanden sind. Daher gehen wir vor allem von einem indirekten Effekt aus, aber endgültig beantworten können wir die Frage noch nicht.
MMW: Könnte diese Methode möglicherweise einen Ansatz zur Behandlung von Schlafstörungen im Alter oder bei der Alzheimer-Erkrankung bieten?
Flöel: Es ist bekannt, dass ältere Menschen weniger Tiefschlafphasen aufweisen und insgesamt einen stärker fragmentierten Nachtschlaf haben. Bei Demenzkranken sind diese Störungen noch ausgeprägter. Man vermutet sogar, dass der fehlende Tiefschlaf auch die Ablagerung von pathologischem Beta-Amyloid fördert, das bei der Alzheimer-Erkrankung anzutreffen ist. Daher sind Verfahren, die den Tiefschlaf fördern, möglicherweise nicht nur dazu geeignet, die Gedächtniskonsolidierung zu verstärken, sondern auch Schlafstörungen und sogar frühe Formen der Alzheimer-Demenz zu verbessern. Hierzu reicht eine einmalige Stimulation natürlich nicht aus, sondern es muss wiederholt, möglicherweise über Wochen und Monate, stimuliert werden. Dies kann nicht im Labor erfolgen. Deshalb arbeiten wir an sogenannten heimbasierten Stimulationsverfahren, um tatsächlich einen dauerhaft verbesserten Schlaf herbeizuführen.
MMW: Könnte man sich vorstellen, dass der Patient dann allabendlich eine Stimulationskappe als „Nachtmütze“ aufsetzt? Wann könnte eine solche „Heimtherapie“ zur Verfügung stehen?
Flöel: Grundsätzlich wäre das denkbar, und es gibt erste technische Entwicklungen in diesem Bereich. Dabei muss die Stimulationskappe auch eine EEG-Ableitung beinhalten, sodass automatisiert erkannt wird, wann das Schlafstadium 2 erreicht ist und die Stimulation beginnen kann. Der zuständige Arzt sollte diesen Prozess weiter kontrollieren können, indem er beispielsweise über eine Cloud mit dem Heimstimulator verbunden ist.
Wir planen im kommenden Jahr erste experimentelle Studien zu diesem Verfahren. Die Routineanwendung wird aber, wenn alles perfekt verläuft, trotzdem erst in einigen Jahren möglich sein.
Interview: Dr. Christine Starostzik
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Springer Medizin. Schlafen unter Strom gegen die Demenz. MMW - Fortschritte der Medizin 158, 8 (2016). https://doi.org/10.1007/s15006-016-8744-5
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