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Prof. Dr. med. Matthias Graw Institut für Rechtsmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München

_ Nach einer Definition von Wagner bedeutet Verkehrsmedizin „die Anwendung ärztlichen Wissens und ärztlicher Erfahrung zum Nutzen der Verkehrsteilnehmer und zur Hebung der Verkehrssicherheit“ (H.-J. Wagner, Handbuch der Verkehrsmedizin, Springer 1968). Damit ist die große praktische Relevanz der verkehrsmedizinischen Tätigkeit treffend skizziert: Es sind nicht nur Verkehrsmediziner — meist Arbeits-/Betriebs- oder Rechtsmediziner — im engeren Sinne, sondern alle klinisch tätigen Ärzte miteinbezogen. Dies gilt sowohl bei Diagnostik und Therapie wie auch bei der Aufklärung über verkehrsmedizinische Risiken durch Krankheiten und Medikamente oder im Rahmen der verkehrsmedizinischen Begutachtung.

Häufig liegt der Fokus auf der Frage, ob ein Patient Einschränkungen seiner Möglichkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr aufweist. Mit dem Begriff Fahreignung wird hierbei eine zeitlich überdauernde Eigenschaft beschrieben, während die Fahrsicherheit auf eine konkrete und aktuelle, zeitlich beschränkte Konstellation abzielt. Beispiele für eine nicht gegebene Fahrsicherheit wären die akute Alkoholisierung oder ein hochfieberhafter Virusinfekt, ein Beispiel für eine aufgehobene Fahreignung eine beidseitige Erblindung.

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So einen Crash gilt es zu verhindern. Dazu kann auch der Hausarzt beitragen.

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Ein weiterer wichtiger Begriff im verkehrsmedizinischen Kontext ist die Fahrbefähigung: Die in Fahrschule und Fahrpraxis erworbene praktische Fertigkeit zum Lenken eines Fahrzeugs im Straßenverkehr. Alle drei Begriffe zusammen beschreiben die umfassende Fahrkompetenz oder allgemein die Verkehrstüchtigkeit (oft auch als „fitness to drive“ bezeichnet). Häufig werden die Begriffe in der Literatur allerdings nicht so klar abgegrenzt oder sogar widersprüchlich verwendet.

Der klinisch tätige Arzt ist medizinischer Berater des Patienten im Hinblick auf Fahrsicherheit und Fahreignung. Es geht in erster Linie darum, Einschränkungen zu erkennen, den Patienten zu beraten und möglichst kompensierende Unterstützungsmaßnahmen vorzuschlagen. Ziel der verkehrsmedizinischen Beratung sollte primär nicht sein, „den Führerschein nehmen oder abgeben zu lassen“, sondern vielmehr soweit wie möglich die Mobilität zu erhalten, die für die Teilhabe am sozialen Leben wichtig ist.

Entsprechende ärztliche Kenntnisse und Kompetenzen rückten nicht erst seit dem Germanwings-Absturz 2015 in den Vordergrund der Diskussion. Schon der Deutsche Ärztetag hat 2014 konkret Verbesserungen in der Ausbildung und Fortbildung gefordert: „Der 117. Ärztetag 2014 bekräftigt die selbstverständliche Verpflichtung aller in der Patientenversorgung tätigen Ärztinnen und Ärzte, ihre Patientinnen und Patienten auch im Hinblick auf die Auswirkungen ihrer Erkrankung bzw. Medikamentenwirkung auf die Verkehrssicherheit und Fahreignung zu beraten, um den Schutz der Sicherheit des Betroffenen und unbeteiligter Dritter zu gewährleisten“ [Dtsch Arztebl 2014; 111:A1175]. Dem Anliegen der verkehrsmedizinischen Fortbildung soll der vorliegende MMW-Schwerpunkt dienen.