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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, Kardiologische Praxis, München

_ Für eine interessante Studie beobachteten die Autoren 175 Hypertoniker ohne nennenswerte Begleiterkrankungen, die erstmals oder nach einer Unterbrechung von mindestens zwei Monaten eine antihypertensive Therapie begannen. Sie sammelten nach 3, 6, 9 und 12 Monaten Daten über Zahl, Art und Dosis der Antihypertensiva, befragten die Patienten systematisch nach Nebenwirkungen und überprüften die Tabletteneinnahme.

Bei 85% der Patienten trat mindestens eine Nebenwirkung auf, die mittlere Häufigkeit lag bei vier. 34,5% der Patienten nahmen weniger als 80% der verordneten Tabletten ein, was als unzureichende Adhärenz definiert wurde. Die mangelhafte Therapietreue nahm mit der Zahl der Nebenwirkungen zu, nicht aber mit ihrem Schweregrad.

Nebenwirkungen des Urogenitaltrakts — beispielsweise Harndrang tagsüber und in der Nacht, Erektionsstörungen und Libidoverlust — beeinträchtigten die Tabletteneinnahme deutlich und signifikant stärker als andere organbezogene Beschwerden. Dazu zählten neben kardiopulmonalen und gastrointestinalen auch anticholinerge Effekte wie ein trockener Mund oder Sehstörungen, ferner funktionelle Probleme wie Müdigkeit und Schwäche, oder auch neuropsychiatrische Effekte wie Schlaflosigkeit oder depressive Verstimmungen.

KOMMENTAR

Mangelhafte Therapietreue — auf Befragen zugegeben oder verschwiegen — ist ein häufiges Problem bei der Hypertonie und anderen Krankheiten, solange sie noch keine Beschwerden verursachen. Als häufige Ursachen dafür gelten Nebenwirkungen.

Die erwünschten Wirkungen der Arzneimittel wurden als Voraussetzung für die Zulassung schon immer intensiv erforscht, doch mit den Schattenseiten der Pharmaforschung verdient man keine Lorbeeren. Angesichts dieser Datenlage gibt die vorliegende Studie einen kleinen, aber wichtigen Hinweis. Besonders Nebenwirkungen aus dem sensiblen Bereich des Urogenitaltrakts beeinträchtigen die Compliance und sollten deshalb vom Therapeuten angesprochen werden.