Zum Schwerpunkt „Ärztliche Leichenschau“ in MMW 11/2016 ab S. 44 erreichte uns eine Frage:

_ Wie ist die unverzügliche Durchführung der Leichenschau mit der Feststellung sicherer Todeszeichen vereinbar? Bei der unverzüglichen Durchführung nach Mitteilung des Versterbens — vom Gesetzgeber wird sogar die Unterbrechung der Sprechstunde gefordert — sind aus meiner Erfahrung meist noch keine sicheren Todeszeichen vorhanden. Diese treten erst Stunden später auf, und dazu muss der Verstorbene doch ein zweites Mal aufgesucht werden. Welcher Zeitpunkt der Leichenschau ist dann in der Todesbescheinigung anzugeben?

Prof. Dr. Alois Sellmayer, D-87637 Seeg

Antwort von Prof. Graw:

Die Durchführung der Leichenschau setzt voraus, dass es sich bei der Person tatsächlich um einen Verstorbenen, also um eine Leiche handelt. Dies ist aber zwingend mit der Feststellung (mindestens) eines sicheren Todeszeichens verknüpft. Totenflecke treten in der Regel ca. 15–30 Minuten nach Eintreten des Todes auf. Bei einer leblosen Person ohne sicheres Todeszeichen ist die Indikation zu einer Reanimation zu prüfen.

„Unverzüglich“ bedeutet im juristischen Sprachgebrauch „ohne schuldhaftes Zögern“. Damit sind andere wichtige Handlungen wie die akute Behandlung von Patienten im Rahmen der Sprechstunde durchaus vor der Leichenschau möglich.

Prof. Dr. Matthias Graw, Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität, Nußbaumstr. 26, D-80336 München