Leitlinien können die Versorgung vieler Patienten erleichtern — ohne allerdings bindend zu sein. Immer müssen sie dem Einzelfall angepasst werden. in diesem Modul wollen wir deshalb Leitlinien nicht schematisch „herunterbeten“. Vielmehr wird an Einzelfällen versucht, eine evidenzbasierte Lösung zu finden. Wir laden auch Sie ein, eigene Patienten vorzustellen, bei denen sich die Frage stellt: Was sagen die Leitlinien? (Fragen an: brigitte.moreano@springer.com)
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? Ein 82-jähriger rüstiger Patient stellte sich vor einigen Wochen mit dem Bild einer belastungsabhängigen stabilen Angina pectoris vor. Bekannt sind eine Hypertonie und ein Typ-2-Diabetes, der zu einer chronischen Niereninsuffizienz (GFR 35 ml/min) geführt hat. Die Stenokardien treten beim Treppensteigen und beim schnellen Bergaufgehen, aber nicht in Ruhe auf und sprechen gut auf Nitroglycerinspray an. Der Patient wurde bei einem Kardiologen vorgestellt. Das hier durchgeführte Belastungs-EKG zeigte bei 75 Watt ischämische ST-Streckenveränderungen verbunden mit Stenokardien. Der Kardiologe riet ihm darauf dringend zu einer Koronarangiografie. Der Patient ist allerdings wegen seines Alters etwas zögerlich und fragt mich, ob das wirklich sein müsse. Was sagen die Leitlinien?
! Die Indikationsstellung für eine invasive Diagnostik bei Patienten mit einer stabilen KHK ist eines der heißen Eisen in der Kardiologie, wobei sicherlich auch eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht. Die Nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt für solche Patienten zunächst ein konservatives Vorgehen, da bisher in Studien nicht nachgewiesen werden konnte, dass betroffene Patienten von der Koronarangiografie mit konsekutiver Stent-Implantation prognostisch profitieren. Somit ist die Koronarintervention ebenso wie eine medikamentöse Therapie nur eine symptomatische Therapie. Allerdings lässt sich anhand der Beschwerden eine Hauptstammstenose nie ganz ausschließen, und bei einer solchen wäre die Stentimplantation sicherlich eine lebensverlängernde Maßnahme.
Nun konkret zu diesem Patienten: Ich glaube, man sollte sich an die Leitlinien halten und zunächst eine medikamentöse antianginöse Therapie mit einem Betablocker, evtl. in Kombination mit Ranolazin oder einem Nitrat oder einem Kalziumantagonisten einleiten und zusätzlich ASS geben, zumal die Koronarangiografie bei diesem Patienten wegen der chronischen Niereninsuffizienz nicht unproblematisch ist. Wird der Patient darunter weitgehend beschwerdefrei, so besteht sicherlich keine zwingende Indikation für eine Koronarangiografie. Ist dies nicht der Fall oder treten im weiteren Verlauf Stenokardien schon bei minimaler Belastung oder sogar in Ruhe auf, so wäre eine weitere invasive Abklärung indiziert. Auch bei einem akuten Koronarsyndrom sollte das hohe Alter nicht vor dem Herzkatheter „schützen“, da gerade ältere Patienten wegen ihres erhöhten Risikos von der invasiven Strategie besonders profitieren.
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Stiefelhagen, P. Was sagen die Leitlinien?. MMW - Fortschritte der Medizin 158, 16 (2016). https://doi.org/10.1007/s15006-016-8349-z
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