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_ Mit der angestrebten Heilung der HIV-Infektion ist es nach Prof. Georg Behrens, Hannover, ein bisschen wie in den 1960er-Jahren mit der Mondlandung: Wie bei der Apollo-Mission bestehen auch hier hohe Erwartungen und viel Wettkampfgeist. Das Ziel ist höchst ambitioniert, scheint aber, wenn man internationalen Berichten in Laien- und Fachpresse glauben will, bereits greifbar nahe. Doch schon bei der Formulierung dessen, was man eigentlich erreichen will, ist man sich uneins. Ist der Durchbruch erreicht, wenn man zehn Patienten geheilt hat? Oder erst bei 10.000? Und was heißt „Heilung“ überhaupt? Meint man die sterilisierende Heilung, bei der keinerlei replikationsfähige Viren mehr vorhanden sind? Oder strebt man „nur“ die dauerhafte Remission an?

Einen singulären Fall einer geglückten Heilung gibt es: Timothy Brown, der sog. Berlin-Patient, wurde 1995 HIV-positiv getestet. 2007 und 2008 erhielt er jeweils eine allogene Stammzelltransplantation mit einem veränderten CCR5-Gen. Danach ließ sich das Virus nicht mehr nachweisen. Brown nimmt heute keine HIV-Medikamente mehr ein und gilt als geheilt — laut Behrens „unser erster Mensch auf dem Mond“.

Provirus als Hürde

Das Dumme nur: Der Fall ließ sich nie replizieren. Für HIV-Experten liegt ein Hauptproblem darin, dass das HI-Virus in ganz verschiedenen Zellkompartimenten im Körper integriert ist. Indem es sich in Lymphknoten, im darmassoziierten lymphatischen System oder in Blutzellen festsetzt, bildet es ein „latentes Reservoir“, das bis zu 60-mal größer sein kann als bisher angenommen. Mit der klassischen antiretroviralen Therapie gelingt es bisher nicht, dieses „Unkraut“ auszumerzen. Vor allem der Anteil an replikationskompetentem Provirus stellt eine Hürde für die Heilung dar. Behrens: „Sobald wir die Therapie unterbrechen, kommt das Virus unweigerlich zurück.“

Auf der CROI** in Boston wurden im Februar Ergebnisse der sog. „Shock-and-kill-Strategie“ vorgestellt. Die Idee dahinter: Intaktes Provirus soll mithilfe sog. Toll-like-Rezeptoragonisten reaktiviert werden, um es dann unschädlich zu machen. In der Realität ließ sich allerdings nur ein sehr geringer Anteil Proviren überhaupt aktivieren.

Mit dem Holzhammer oder auf die intellektuelle Tour?

Der DAIG-Präsident bezeichnete das Verfahren als „unspezifische Hammermethode“. Das System sei bislang nicht gut verstanden. Ob sich die Methode langfristig am Menschen bewährt, ist völlig offen.

„Geradezu intellektuell“ mutet nach Behrens dagegen die viel diskutierte „Genschere“ an (s. Kasten). Die Herausforderung bestehe jedoch darin, dass die in vitro mit dem genetischen Virusschutz ausgestatteten Zellen sich im Körper gegen die infizierten Zellen durchsetzen müssten. Auch dies könne man letztlich nur in klinischen Studien untersuchen. „Bisher“, fasste der Referent zusammen, „haben wir nichts, was wir unseren Patienten unmittelbar anbieten können, nichts, was unser Handeln in absehbarer Zeit verändern wird.“

ART schafft „funktionelle Heilung“

Mithilfe der ART ist man schon heute in der Lage, eine Art funktioneller Heilung zu erreichen. Worauf es ankommt — keine Virusreplikation, ein gutes Immunsystem, wenig systemische Inflammation, geringes Übertragungsrisiko — ist laut Behrens bereits weitgehend geschafft. Mit diesen Errungenschaften müsste sich eine möglicherweise kurative Strategie also messen. Angesichts der weltweit immer noch hohen Rate an Neuinfektionen bleibe für die konventionelle Therapie mehr als genug zu tun!