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Kein Loskommen von der Nadel?

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_ „Wir ahnen, dass Methadon bei einigen Patienten mit Opiatabhängigkeit nicht gut funktioniert, weil ein Großteil trotz der Substitution zusätzlich Heroin i.v. konsumiert“, so Dr. Andreas Zsolnai, Facharzt für Allgemein- und Suchtmedizin in Stuttgart. Die Häufigkeit eines solchen Beigebrauchs liege bei ca. 50%. Dies zeige, dass bei vielen Betroffenen eine ausgeprägte Präferenz der intravenösen Applikationsform bestehe. Dies konterkariere die Bemühungen, die Heroinabhängigen aus der kriminellen Szene herauszuholen und sie sozial zu integrieren. Wäre eine Substitution mit Heroin daher nicht sinnvoller?

In einer Studie mit über 1.000 Patienten erwies sich die Substitution mit Diamorphin in allen Zielgruppen der Methadonbehandlung als überlegen. „Die mit Heroin behandelten Patienten hatten einen besseren Gesundheitsstatus, der Konsum illegaler Drogen war geringer, die Haltequote höher, die soziale Integration besser, die Delinquenz niedriger und die Arbeitstätigkeit stieg von 13 auf 40%“, so Zsolnai.

Schneller Übertritt ins Gehirn

Diacetylmorphin, also Heroin, wurde bereits im Altertum zur Analgesie eingesetzt. 1953 erlosch die Zulassung als Medikament, und in den 1970er-Jahren begann die Entwicklung zur Rauschdroge. In der Schweiz setzte man im Rahmen einer Liberalisierung der Drogenpolitik schon 1994 Heroin als Substitutionsmedikament ein. Die Herstellung erfolgt halbsynthetisch aus Rohopium, wobei die Acetylierung den schnellen Übergang ins Gehirn bewirkt. Das Wirkspektrum ist breit: Euphorie, Analgesie, Sedierung, antipsychotische Wirkung, Anxiolyse, antitussiver Effekt und Verhinderung von Entzugssymptomen. Nebenwirkungen sind Obstipation, Übelkeit, Sedierung, Atemdepression, Krampfanfall und orthostatischer Kollaps.

Sorgfältige Patientenauswahl

Bei welchem Patient sollte man eine Herointherapie erwägen? Die Kriterien hierfür umfassen u. a.: mindestens fünfjährige Opiatabhängigkeit, überwiegender i.v.-Konsum, zwei erfolglose bzw. abgebrochene Suchtbehandlungen, Vollendung des 23. Lebensjahrs und eine frustrane Methadon-Substitution.

Die Patienten erhalten die Injektionen ein- bis dreimal täglich in der Praxis, es gibt kein „Take-home“. Der zusätzliche Genuss von Alkohol ist streng verboten und wird kontrolliert. Eine Kombination mit Methadon oder retardiertem Morphin ist möglich, ebenso eine kurzfristige Umstellung auf Methadon, z. B. im Urlaub. Die maximale Tagesdosis liegt bei 1.000 mg, die maximale Einzeldosis bei 400 mg.