figure 1

Besonders kritisch ist der Übergang vom Studium in die Weiterbildung.

© pathdoc / Fotolia

_ Je nach dem verwendeten Diagnosewerkzeug sind gut 20%, vielleicht sogar mehr als 40% der Assistenzärzte depressiv oder weisen Symptome einer Depression auf. Das hat eine Übersichtsstudie mit Metaanalyse gezeigt, für die sich ein Forscherteam um Douglas Mata von der Harvard Medical School in Boston 31 Querschnitts- und 23 Längsschnittstudien angesehen hatte, in die 17.560 junge Ärztinnen und Ärzte einbezogen worden waren. Im Durchschnitt aller Untersuchungen lag die Depressionsprävalenz bei rund 29%.

Stetig steigender Anteil Betroffener

Die Studien stammten aus den Jahren 1963–2015. In der Übersicht über diesen Zeitraum zeigte sich ein stetig steigender Anteil von Betroffenen: Mit jedem Kalenderjahr erhöhte sich die Depressionsprävalenz um 0,5%. Kritisch scheint für junge Ärzte besonders der Übergang vom Medizinstudium in die ärztliche Weiterbildungsphase zu sein. Depressive Symptome nehmen dabei den Analysen zufolge absolut gesehen um knapp 16% zu.

Statistisch signifikante Unterschiede zwischen Assistenten in frühen und späteren Jahren der Weiterbildung oder zwischen solchen, die in chirurgischen und solchen, die in nicht-chirurgischen Fachrichtungen arbeiten, waren nicht festzustellen.

Die Patienten leiden mit

Mata und Kollegen fordern nun, nach Mitteln zu forschen, wie man Depressionen von Ärzten in der Weiterbildung vorbeugen und sie gegebenenfalls behandeln könnte. Psychische Probleme dieser Art begünstigten nämlich ähnliche Probleme der Betroffenen auch in der Zukunft. Außerdem werde die Qualität der Patientenversorgung negativ beeinflusst, wenn die behandelnden Ärzte an Depressionen litten; beispielsweise unterliefen depressiven Ärzten mehr Fehler.

Höhere Suizidraten bei Ärzten

In einem Kommentar zur Studie von Mata und Mitarbeitern verweist Thomas Schwenk (University of Nevada, Reno) auf Zahlen zur Allgemeinbevölkerung, wonach die Lebenszeitprävalenz der Depression 16% beträgt. Frühere Studien hatten für Mediziner ähnliche Anteile ergeben, für Männer 10–13% und für Frauen 20%.

Allerdings liegen die Suizidraten bei Ärztinnen und Ärzten etwa 2,7- bzw. 1,4-fach höher als die populationsbezogenen Raten.

Was könnte helfen?

Die Ergebnisse der Mata-Studie nennt Schwenk „entmutigend“. Als Remedur schlägt er zum einen vor, die Assistenten psychologisch besser zu begleiten. „Doch die besten Ansätze scheitern hier, weil Ärzte, die psychiatrische Hilfe suchen, erheblich stigmatisiert werden“, so Schwenk. Würde dergleichen aktenkundig, mindere dies die beruflichen Chancen. Zum anderen rät er, die Arbeitsbelastung von Assistenzärzten abzubauen und über grundsätzliche Veränderungen in der Medizinerausbildung nachzudenken.

Die Angst vor dem Fehler

Fehler von Ärzten schaden nicht nur den Patienten, sie belasten auch die beteiligten Mediziner selbst. Es drohen posttraumatische Stressreaktionen, Burnout, Depressionen und die Angst vor weiteren Fehlern. Einer Befragung unter Ärzten aus der Schweiz zufolge verlieren 45% der betroffenen Ärzte nach einem Fehler das Vertrauen in ihre medizinischen Fähigkeiten, ein Drittel schläft schlechter und ein Drittel hat weniger Spaß an der Arbeit. Selbst bei kleineren Versäumnissen waren die Auswirkungen erheblich. Es sei deshalb wichtig, so die Autoren, dass Kliniken effiziente Fehlermeldesysteme etablierten – nicht nur für die betroffenen Patienten, sondern auch für die Ärzte. Denn ein offener Umgang unter Kollegen könnte den Medizinern helfen, mit derartigen Zwischenfällen besser umzugehen.