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? K. H., Düsseldorf: Was halten Sie generell von der Primärprophylaxe mit Statinen? In den Leitlinien wird diese für alle Personen mit hohem PROCAM-Risikoscore (> 5% Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes binnen zehn Jahren) empfohlen, aber das wäre ja wohl ein Großteil der Bevölkerung über 50 Jahren? Die Compliance-Probleme wären doch bei diesen Patientenzahlen gigantisch. Ich selbst nehme Atorvastatin 10 mg/Tag und kann davon ein Liedchen singen. Wem soll man diese Art der Primärprophylaxe empfehlen?
! MMW-Experte Stiefelhagen: Angesichts moderner diagnostischer Verfahren haben sich die Begriffe „Primärprävention“ und „Sekundärprävention“ überholt; denn wie sollte man einen Patienten einordnen, bei dem eine hämodynamisch nicht wirksame koronare Herzkrankheit (KHK) oder Plaques an den Karotiden nachgewiesen werden? Sollte er primär- oder sekundärpräventiv behandelt werden?
Viel sinnvoller ist es deshalb, bei jedem Patienten eine individuelle Risikostratifizierung mittels eines Scores durchzuführen. Entsprechend wird zwischen einem sehr hohen, hohen, moderaten und niedrigem Risiko unterschieden. Bei einem sehr hohen Risiko — und dazu gehören alle Patienten mit einer manifesten Arteriosklerose — sollte ein LDL-Zielwert unter 70 mg/dl angestrebt werden, bei hohem Risiko unter 100 mg/dl und bei moderatem Risiko unter 130 mg/dl. Und an diesen Zielwerten orientiert sich die Indikationsstellung für eine Statintherapie.
! MMW-Experte Füeßl: Wenn ich Plaques an den Karotiden als manifeste Arteriosklerose bezeichne, so trifft tatsächlich der alte Spruch der Harvarder Medizinstudenten zu, dass es keine gesunden, sondern nur ungenügend untersuchte Menschen gibt. Unter diesem Aspekt wären wohl alle Menschen über 50 Jahre Kandidaten für Statine, die ja auch in der sog. Polypille enthalten sind.
Für das praktische Vorgehen halte ich die Begriffe der Primär- und Sekundärprävention für durchaus richtig, da es für die Prognose und die therapeutischen Konsequenzen einen Unterschied macht, ob man diskrete Plaques an den Karotiden aufweist oder ein akutes Koronarsyndrom durchgemacht hat. In Studien haben sich Statine auch in der Primärprävention durchaus als wirksam erwiesen, allerdings vernachlässigen klinische Studien insofern die Komplexität des Themas, als sie Fragen wie Compliance, Einstellungen des Patienten zur Sinnhaftigkeit der Therapie sowie unerwünschte Nebenwirkungen und deren individuelle Bewertung kaum berücksichtigen können. Von ökonomischen Aspekten gar nicht zu sprechen.
Ich halte es mit dem NICE aus Großbritannien und spreche das Thema Statine nur bei Patienten an, deren Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignissen in den nächsten zehn Jahren anhand eines Scores mindestens 20% beträgt. Dabei spielen Familienanamnese, Hypertonie, Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht die größte Rolle. Ehe ich zum Rezeptblock greife, spreche ich bei jedem Patienten die Vorteile einer Umstellung des Lebensstils an.
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Springer Medizin. Statine gibt es gemäß individuellem Risiko. MMW - Fortschritte der Medizin 158, 35 (2016). https://doi.org/10.1007/s15006-016-7984-8
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