_ So traurig hatte ich meine Patientin noch nie erlebt. Diese Stimmung passte so gar nicht zu ihr — auch wenn ein Blick aus dem Fenster diesiges Novemberwetter offenbarte. Normalerweise war sie immer beschwingt und fröhlich.

Es war keine großartige Analyse fällig, um den Grund für ihre trübe Laune zu erfahren: Sie erzählte mir, dass sie in eine neue Lebensphase eingetreten war. Sie war jetzt in Rente! Und das bekam ihr weniger gut, als man es vielleicht meinen sollte. Viele meiner anderen Patienten begeben sich in diesem Stadium sofort auf Kreuzfahrt. Schon Monate vorher zählen sie die Tage herunter — the final countdown. Sie aber trauerte ihrer Arbeit nach. Was dem Einen zuviel ist, ist dem Anderen zu wenig.

Da hatte ich eine spontane Eingebung. Seit Monaten schon war ich auf der Suche nach einer „Azubine“, und jetzt dachte ich mir: „Ist doch egal, dann nehme ich eben eine Rentenbiene!“ Wie sich herausstellte, war das eine gute Intuition. Dass sie früher schon jahrelang in einer Arztpraxis gearbeitet hatte, hatte ich gar nicht gewusst. Die Einarbeitung war überflüssig, alles lief sofort rund. Das Team hat die neue Mitarbeiterin sofort ins Herz geschlossen. Wie heißt es so schön? Finde, dann musst du nicht suchen! Oder so ähnlich.

Zug spielen

Sie werden es kaum glauben: Neulich kam ein

Lokomotivführer mit einem Infekt zu mir und wollte einen AU-Schein. Beim Betreten des Sprechzimmers klagte er ernsthaft: „Herr Doktor, ich glaube, ich habe mir einen Zug geholt.“

Dr. Volker Dietz, Külsheim