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Mit wenigen Klicks zum Kick — das kann süchtig machen.

© Katarzyna Bialasiewicz / iStock

_ „Eine sexuelle Sozialisation ohne Internet gibt es heute nicht mehr“, sagte Prof. Peer Briken, Zentrum für psychosoziale Medizin an der Universität Hamburg. Eine Befragung bei 18-Jährigen habe ergeben, dass bereits 90% der Jungen und 70% der Mädchen Pornografie im Internet „konsumiert“ hatten. Zu den typischen Inhalten gehören, wie eine Analyse von 50 Bestseller-Pornofilmen gezeigt hat, körperliche und verbale Aggressionen, wobei in der Mehrzahl der Fälle Männer die Aggressoren und Frauen die Opfer sind. „Nur wenige Szenen beinhalten positives sexuelles Verhalten wie Küssen, Umarmungen, Streicheln und Komplimente“, so Briken. Die entscheidende Frage ist, ob dies die sexuelle Gewalt fördert.

Keine sexuelle Verwahrlosung

Der Markt für pornografisches Material ist mannigfaltig und grenzenlos. Ständig wird Neues angeboten, wobei die Grenzen zwischen Konsument, Produzent und Anbieter verschwimmen. Das Internet bietet die Möglichkeit interaktiver Kommunikation und Raum zum Experimentieren zwischen Fantasie und „Real life“. Es entsteht eine virtuelle Identität auf einer weltweiten Bühne, wobei das Risiko, bei illegalen Aktivitäten entdeckt zu werden, sehr gering ist. „All dies erleichtert den suchtartigen Konsum“, so Briken.

Doch führt dies auch zu einer sexuellen Verwahrlosung? Was den Zeitpunkt des ersten Sexualkontakts betrifft, so hat sich daran in den letzten 20 Jahren kaum etwas geändert, d. h. ca. 70% der 18-Jährigen hat entsprechende Erfahrung. Auch zeigen Studien, dass der leichtere Zugang zu Pornografie nicht zu einem Anstieg der Sexualdelikte geführt hat.

Sexuelle Grenzverletzungen

Zu den sexuellen Grenzüberschreitungen im Internet gehören die Netzwerkbildung von Kindesmissbrauchern und Cyberstalking mit sexueller Belästigung. 10% der Internetnutzer geben eine ungewollte sexuelle Belästigung an, die jedoch meist nicht als bedrohlich empfunden und souverän abgewehrt werde, so Briken. Aggressive Annäherungen mit dem Versuch, realweltliche Treffen zu erreichen, seien auf niedrigem Niveau gleichbleibend. Solchen Annäherungen könne zudem im Internet leichter ausgewichen werden als außerhalb des Netzes.

Restriktive oder aktive Medienerziehung?

Medienkompetenz ist die Fähigkeit, Medien den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend effektiv nutzen zu können. „Je höher die Medienkompetenz, desto häufiger sind auch Kontakte mit medienbezogenen Risiken“, so Briken. Doch je höher die Medienkompetenz, desto seltener seien negative Erfahrungen. Eine restriktive Medienerziehung gehe zwar mit geringeren Risiken, aber auch mit einer geringeren Medienkompetenz einher. Deshalb sei eine aktive Medienerziehung die wirksamste Prävention vor negativen Erfahrungen.