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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Privatpraxis für Integrative Innere Medizin, München

Der Euphemismus hat in unseren Zeiten offensichtlich Hochkonjunktur. Aus der Mülldeponie wird der Entsorgungspark, Schulden werden zum Wertanpassungsbedarf und das Altenheim zur Seniorenresidenz. Da darf die Medizin nicht nachstehen, gibt es doch gerade hier viele unangenehme Wahrheiten, die auf eine angenehme Verbalverpackung warten.

Die „Neubildung“ für das Karzinom hat eine lange Tradition, doch wie steht es mit dem medizinischen Fortschritt? Wissenschaftler aus Australien haben hier einige nützliche Vorschläge gemacht. Angesichts hoher Sectio-Zahlen wird die natürliche Geburt zunehmend unnatürlich und sollte schnellstens umbenannt werden in „Geburt durch die obsolete uterine Austrittsmethode“. Das Down-Syndrom hört sich zu negativ-abwärtsgewandt an und sollte in Zukunft als Up-Syndrom bezeichnet werden. Für Anhänger der Komplementärmedizin, die ihre Kinder nicht impfen lassen, empfiehlt sich die Bezeichnung „Euphemystiker“. Warum einem Patienten mit Herzinsuffizienz erklären, dass sein Herz nicht genügend pumpt und sich Flüssigkeit in die Lungen zurückstaut? Man könnte doch von einer vorübergehend reduzierten Arbeitskapazität des Herzmuskels sprechen. Dick ist heute ohnehin niemand mehr, sondern allenfalls metabolisch herausgefordert oder wohlgerundet gesund.

Zum größten Problem der Medizin, dem Lebensende — früher auch Tod genannt — liegen schon seit langer Zeit Vorschläge von Monty Python vor, etwa die „Wiederbegegnung mit dem Schöpfer“ oder die „historische Betrachtung metabolischer Prozesse“. Allerdings sind diese Termini nicht ausreichend wissenschaftlich-medizinisch. Angehörigen könnte etwa mitgeteilt werden: „Ihre Frau hat Raumtemperatur angenommen.“ Der Ausdruck „Palliativmedizin“ wiederum ist mittlerweile fast volkstümlich geworden und sollte schleunigst durch die deutlich empathischere „Neuorientierung bei der Lebensreise-Betreuung“ ersetzt werden. Und was gäbe es für einen Umweltschützer Schöneres als die Mitteilung des Transplantationschirurgen, er habe „erhöhtes Recycling-Potenzial“?

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