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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Privatpraxis für Integrative Innere Medizin, München

_ Gerade Kardiologen haben häufig mit Akutsituationen zu tun, doch wird auch erwartet, dass sie die wichtigsten Kongresse ihres Fachgebietes besuchen. Eine retrospektive Registerstudie in den USA untersuchte nun, ob sich dieses Dilemma auf die 30-Tage-Mortalität von über 100.000 Medicare-Patienten ausgewirkt hat. Sie waren zwischen 2002 und 2011 während eines Herzkongresses wegen akutem Koronarsyndrom, Herzstillstand oder Herzinsuffizienz stationär aufgenommen worden. Als Vergleichskollektiv dienten Patienten, die in der kongressfreien Zeit aufgenommen wurden.

In akademischen Lehrkrankenhäusern war die 30-Tage-Mortalität bei den Hochrisikopatienten mit Herzinsuffizienz (17,5% vs. 24,8%; p < 0,001) oder Herzstillstand (59,1% vs. 69,4%; p < 0,01) während eines Kongresses signifikant geringer als in der kongressfreien Zeit. Bei Hochrisikopatienten mit akutem Koronarsyndrom und bei allen Patienten mit niedrigem Risiko ergaben sich diesbezüglich keine Unterschiede.

KOMMENTAR

Die Ergebnisse werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten geben — sind aber Wasser auf die Mühlen der notorischen Kritiker, für die der Laden besser läuft, wenn der Chef nicht da ist. Andererseits könnte es durchaus sein, dass man riskante Eingriffe eben nicht in dieser Zeit einplant. Grundsätzlich erhebt sich die Frage, wie intensiv die leitenden Ärzte, die man auf Kongressen trifft, überhaupt in die unmittelbare Patientenversorgung einbezogen sind. All diese Fragen kann die Studie nicht beantworten. Kausale Attribuierungen sind schon gar nicht zu machen. Patienten zumindest können sicher sein, dass die Versorgung während großer Ärztekongresse nicht gefährdet ist. Und Chefärzte können die Studie ihrem Verwaltungsleiter zeigen, wenn der ihnen wegen längerer Abwesenheiten Vorhaltungen macht.