_ Vor einiger Zeit wurde ich im ärztlichen Notdienst samstags um 23 Uhr in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge gerufen, die sich in einer großen Halle in Bad Cannstatt befindet. Ein 9-jähriger Junge habe Fieber und sei apathisch, sagte mir eine Sicherheitskraft am Eingang. Da läuteten bei mir die Alarmglocken.

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„Psst ... Herr Doktor, sind Sie’s?“

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In der Halle war es stockdunkel. Wir wurden in ein kleines Zimmer mit sehr dünnen Wänden und Stockbetten geleitet. Ich bat den Mitarbeiter, das Licht anzumachen. „Das geht nicht“, sagte er. „Das Licht wird um 22 Uhr generell ausgeschaltet.“ Ich schaute ihn ungläubig an und sagte, er solle keine Witze machen. Aber er wiederholte seine Aussage entschuldigend. Also mussten mein Fahrer und zwei Bewohner den Patienten mit Taschenlampen und Handys beleuchten. Ich kam mir vor wie in der Dritten Welt!

Der Junge war apathisch und nicht weckbar. Ich ging zunächst von einem präkomatösen Zustand aus, was aber nicht mit dem annähernd normalen körperlichen Befund übereinstimmte. Nach erneutem heftigem Rütteln schlug der Junge die Augen auf und richtete sich danach sogar auf. Er hatte einfach tief und sehr fest geschlafen.

Mehr Licht wäre da natürlich von Anfang an hilfreich gewesen. Es ist schon eine grobe Zumutung, einen Patienten, der eventuell schwer krank ist, unter diesen Umständen untersuchen zu müssen. Das Kind konnte ambulant medikamentös weiterbehandelt werden.

Wie in Asylbewerberheimen üblich, stellte sich daraufhin noch eine weitere Patientin kurzfristig vor. Wir führten sie dann gleich aus der Halle heraus in das Büro der Sicherheitskräfte, wo ich sie bei guten Lichtverhältnissen untersuchen konnte.