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Dr. med. J. Zeeh Geriatrische Fachklinik „Georgenhaus“, Meiningen

Forscher aus Neuseeland untersuchten die Auswirkungen der Kalziumzufuhr aus Nahrungsmitteln und aus Kalziumtabletten auf das Knochenbruchrisiko bei Erwachsenen im Alter über 50 Jahre. Zu kalziumreicher Ernährung wurden zwei randomisierte, kontrollierte Studien mit 262 Teilnehmern sowie 50 Publikationen, die auf 44 Kohortenstudien basieren, eingeschlossen. Zur Supplementation fanden sich 26 kontrollierte, randomisierte Studien mit knapp 70.000 Teilnehmern.

Die meisten Studien zur Kalziumaufnahme über die Nahrung konnten keinen positiven Effekt auf das Frakturrisiko feststellen. Einen leichten Effekt zeigte die Anlayse der Supplement-Studien. Das Gesamtrisiko für Knochenbrüche, das in 20 Studien untersucht wurde, ging um 11% zurück (95%-Konfidenzintervall [KI]: 4–19%). Das relative Risiko für Wirbelfrakturen lag 12 Studien zufolge bei 0,86 (95%-KI: 0,74–1,00). Dagegen konnten für Hüft- und Unterarmfrakturen keine Effekte festgestellt werden. Die Analyse ergab zudem Hinweise auf eine verbreitete statistische Bias pro Nahrungsergänzungsmittel.

Die Autoren schließen daraus, dass Kalzium weder in der Nahrung noch als Supplement frakturpräventiv wirkt.

KOMMENTAR

In der Osteoporosebehandlung des alten Menschen ist es während der letzten 5–10 Jahre zu einem Paradigmenwechsel gekommen. Der Kalziumzufuhr und auch der medikamentösen Behandlung mit Bisphosphonaten und anderen Antiosteoporotika kommt wohl ein geringerer Stellenwert zu als bisher angenommen. Auch die Knochendichtemessung hat an Bedeutung verloren. Die Frage nach Stürzen und einer gestörten Balance ist aussagekräftiger als der Nachweis einer Osteoporose, was die Vorhersage von Schenkelhalsfrakturen betrifft.

Für die Praxis bedeutet das, dass Sturzprophylaxe im Alter wohl wichtiger ist als diätetische und medikamentöse Osteoporosebehandlung. Körperliche Aktivität und der Erhalt von Muskelkraft und Gleichgewicht durch Training, der Verzicht auf Rauchen sowie eine gute Ernährung (eiweißreich mit ca. 1 g/kg KG pro Tag; Vermeidung von starkem Übergewicht und Gewichtsabnahme) scheinen vorrangig zu sein. Komplett sinnlos ist es, einem kognitiv beeinträchtigten, gebrechlichen alten Menschen mit Sturzsyndrom, der sein Sturzrisiko weder durch Training noch durch Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen (z. B. Aufstehen und Gehen nur in Begleitung) zu mindern imstande ist, Antiosteoporotika zu verordnen. Milch dagegen, in der Regel fettreduziert, empfehle ich abgemagerten, muskelschwachen Patienten recht häufig — nicht in erster Linie, weil Milch ein Kalziumträger ist, sondern vor allem, weil sie ein alltagstauglicher Eiweißlieferant ist.

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Milch ist gut — der Erhalt der Muskelkraft durch Training ist aber wichtiger.

© Steve Debenport / asiseeit / iStock