Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern. Senden Sie uns Ihre Geschichte an: cornelius.heyer@springer.com.
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_ Dieser junge Mann hätte auch in der Gerichtsmedizin enden können. In der Nacht hatte er sich nicht wohl gefühlt und heftigen Schüttelfrost gehabt. Nach einiger Zeit hatten die Beschwerden nachgelassen, inzwischen hatte er nur noch Kopfweh. Ob das mit der Krustenanemone zu tun haben könnte? Ich wollte schon den Kopf schütteln, als er von einem Bekannten berichtete, dem Ähnliches widerfahren war. Krustenanemonen seien wohl sehr giftig.
Also „großes Konsil“: schnell gegoogelt, Wikipedia und ein paar weitere Seiten angesehen. Ja, Krustenanemonen verteidigen sich mit einem Gift, das über die Haut aufgenommen wird — und tödlich sein kann! Der Patient erzählte nun detailliert, wie er abends ein Meerwasseraquarium gesäubert hatte und dabei versehentlich mit der bloßen Hand an eine Krustenanemone gekommen war. Er hatte Schleim gespürt. Nach sechs Stunden kamen die Beschwerden.
Sicherheitshalber rief ich den Münchner Giftnotruf an. Ich erfuhr, dass man Patienten ohne Bradykardie 150 mg Prednisolonäquivalent gibt. Für meinen Patienten war es allerdings dafür zu spät, er war ja auf dem Weg der Besserung, auch wenn die Kopfschmerzen noch länger bestehen bleiben könnten.
Nicht auszudenken, wenn der allein lebende Patient nächtens gestorben wäre! Auf eine tödliche Vergiftung wäre doch niemals jemand gekommen. Die Sache ließ mir keine Ruhe, und weitere Recherchen verstärkten meine Sorge: Offenbar kann sich das Gift, Palytoxin, auch als Aerosol verteilen! Beim Reinigen des Aquariums ist also eine Atemschutzmaske angezeigt. Zum Glück hatte auch mein Patient schon recherchiert — und eine sehr biologische Lösung gefunden. Er hatte sich eine bestimmte Schneckenart bestellt, deren Leibspeise Krustenanemonen sind.
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Steinhauer, M. Schillernde Lebensgefahr aus dem Aquarium. MMW - Fortschritte der Medizin 157, 38 (2015). https://doi.org/10.1007/s15006-015-7602-1
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