Die Gicht hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere von einer monolokulären Gelenkerkrankung zu einer systemischen autoinflammatorischen Erkrankung gemacht. Für die Praxis besonders wichtig: Das klinische Bild der Erkrankung ist keineswegs immer so klassisch wie es die meisten kennen.
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_ Der pathogenetische Weg zur Gicht als autoinflammatorischer Erkrankung läuft über das Inflammasom, wie Prof. Monika Reuss-Borst, Reha-Klinik am Kurpark Bad Kissingen, erklärte. Wenn Harnsäurekristalle ausfallen, werden sie phagozytiert. Dies aktiviert den Multiproteinkomplex Inflammasom in der Zelle. Es werden Caspasen gebildet, und aus Pro-Interleukin-1 entsteht Interleukin-1-beta. „Dies ist das zentrale Zytokin, das dazu geführt hat, dass die Gicht heute als autoinflammatorische Erkrankung verstanden wird“, so Reuss-Borst. Deshalb überrascht es auch nicht, dass heute auch zur Therapie der therapierefraktären Gicht Biologika eingesetzt werden, nämlich der Interleukin-1-Antagonist Canakinumab.
Die klassische Gicht mit der Monarthritis des Großzehengrundgelenks ist eine klinische Diagnose, die Betroffene fast selbst stellen können. Trigger sind nicht nur exogene Risikofaktoren (westlicher Lebensstil), sondern auch interkurrente Infektionen oder Dehydratation. Die Harnsäure im Serum ist dabei oft normal! Durch die massive Inflammasom-Aktivierung können die Patienten während eines Gichtanfalls auch Fieber haben.
Ungewöhnliche Manifestationen
Das klinische Bild ist aber gar nicht immer so klassisch. Vor allem bei Frauen findet sich häufig zu Beginn eine Polyarthritis, oft in den kleinen Fingergelenken. Je älter die Patienten werden, desto weniger ist das Immunsystem in der Lage, überschießend zu reagieren. Dann stehen weniger die klassischen akuten Gelenksymptome im Mittelpunkt, sondern es entwickeln sich frühzeitig Tophi und eine chronische Arthritis.
Auch bei chronischen muskuloskeletalen Beschwerden sollte man durchaus auch an eine chronische Gicht denken. „Suchen Sie nach Tophi bei Patienten, die immer wieder mit unklaren Bursitiden kommen“, riet Reuss-Borst. Auch unklare Tendovaginitiden können Ausdruck einer chronischen Gicht sein. Verdächtig ist auch, wenn jüngere Patienten Arthrosen entwickeln.
Da Harnsäure-Kristall-Ablagerungen auch an ungewöhnlichen Lokalisationen heute gut nachweisbar sind, kann man immer wieder Überraschungen erleben, wo sich Gichttophi bilden, sagte Reuss-Borst. Sie erwähnte z. B. den Riesenzelltumor oder unklare Nagelveränderungen, die sich als Gichttophi entpuppten, oder Tophi an der Wirbelsäule als Ursachen von Rückenschmerzen oder gar eines Querschnittsyndroms.
Auch der Gelenkultraschall hat dazu beigetragen, dass der Facettenreichtum der Gicht heute klarer geworden ist. Man findet die typischen sonografischen Veränderungen, echoinhomogene wolkige Doppelkonturen, nicht nur in Gelenken, die klinisch manifest von der Gicht betroffen sind, sondern auch in asymptomatischen Gelenken.
Literatur
121. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V., Mannheim 2015
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Bischoff, A. Gicht: Systemerkrankung mit vielen Facetten. MMW - Fortschritte der Medizin 157, 32 (2015). https://doi.org/10.1007/s15006-015-7597-7
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